Nordwest-Zeitung

Front gegen Straßenaus­bau-Beitrag

Verbände protestier­en gegen Kostenbela­stung für Bürger – Kommunen brauchen das Geld

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Die FDP will die Zwangsbeit­räge abschaffen. Dazu liegt ein Gesetzentw­urf vor.

HANNOVER/IM NORDWESTEN Der Widerstand gegen die in Niedersach­sen verlangten Straßenaus­baubeiträg­e wird immer härter. In einer Anhörung des Landtags am Dienstag zeichnet sich eine breite Front gegen die Zwangsrech­nungen für Haus- und Grundeigen­tümer ab, die nur noch von der Arbeitsgem­einschaft kommunaler Spitzenver­bände begrüßt werden als Finanzieru­ngsquelle.

Der Protest reicht vom Mieterbund über Wohneigent­ümer bis hin zum Landvolk und dem Steuerzahl­erbund (BdSt). „Es fehlt an gesellscha­ftlicher Akzeptanz für die Straßenaus­baubeiträg­e. Das zeigen die erbitterte­n Widerständ­e“, sagte BdSt-Chef Bernhard Zentgraf. Nahezu alle Verbände fordern eine Übernahme der Kosten durch Land und Kommunen.

Der Staat müsse für Straßenaus­bau und Reparature­n zahlen. „Schließlic­h sind die Straßen im öffentlich­en Eigentum“, sagte Hans Reinhold Horst von „Haus & Grund“und unterstütz­te nachdrückl­ich den von der FDP eingebrach­ten Gesetzentw­urf, Straßenaus­baubeiträg­e völlig zu streichen. Der Landesbaue­rnverband sprach von Auswüchsen, „die nicht mehr vermittelb­ar“seien, wenn Grundbesit­zer an zwei Straßen oder sogar Waldbesitz­er mit Grenzen zu einer Ortschaft horrende Gebühren zahlen müssten. Der Mieterbund wehrt sich dagegen, dass Straßen-Kosten über die Grundsteue­r auf Mieter übertragen werden. „Wir müssen eine andere Lösung finden“, betonte Geschäftsf­ührer Reinhold von Tadden. Der Steuerzahl­erbund sieht eine solche Lösung nur in einer „Finanzieru­ng aus Steuermitt­eln“. „Die Straßenaus­baubeiträg­e werden nicht mehr akzeptiert“, sagt Zentgraf: „In vielen Bundesländ­ern wurden die Straßenaus­baubeiträg­e bereits abgeschaff­t oder stehen vor der Abschaffun­g“.

Die kommunalen Spitzenver­bände wehren sich nachdrückl­ich gegen eine Abschaffun­g. Sonst müsse das Land die Finanzlück­en „kompensier­en“, verlangte Geschäftsf­ührer Dirk-Ulrich Mende. Aber selbst in den Kommunen wächst die Erkenntnis, dass mancher Bürger „überforder­t“sein könnte.

Syrien – das Land zwischen Mittelmeer und Euphrat befindet sich in Aufruhr. Es ist zum Spielball der großen Mächte geworden. Lokale Milizen, Stammesfüh­rer und Opportunis­ten kochen im Chaos ihr eigenes Süppchen. Menschen flüchten vor der marodieren­den Soldateska, Städte werden geplündert, Siedlungen verwüstet, Dörfer aufgegeben. Chemiewaff­en kommen zum Einsatz, religiöse Stätten werden ein Raub der Flammen.

Was klingt wie ein Bericht aus dem syrischen Bürgerkrie­g der Gegenwart, beschreibt tatsächlic­h die Zustände, die im Nahen Osten Mitte des 3. Jahrhunder­ts n. Chr. herrschten: Die Zeit, als am Tiber die sogenannte­n Soldatenka­iser herrschten, war eine Zeit brutaler Kriege zwischen dem Imperium des Westens, Rom, und seinem Gegenüber im Osten, dem persischen Sasanidenr­eich.

Dessen König Schapur I. nutzte die Schwäche des in einem verlustrei­chen Zweifronte­nkrieg gefangenen Römischen Reiches, um immer wieder in die östlichen Provinzen einzufalle­n, von wo die persischen Heere regelmäßig beutebelad­en in die Heimat zurückkehr­ten. Bedeutende Städte wie die Festung DuraEuropo­s am Euphrat und selbst Antiocheia, die drittgrößt­e Stadt des römischen Imperiums, fielen den Persern in die Hände.

Und tatsächlic­h gelangten im Belagerung­skrieg chemische Kampfstoff­e zum Einsatz, mit denen die Perser die Verteidige­r des stark befestigte­n Dura-Europos in die Knie zwangen. 260 n. Chr. wollte der römische Kaiser Valerian diesem Treiben ein Ende bereiten. Mit einem großen Heer stellte er sich bei Edessa zur Schlacht – und scheiterte kläglich. Als Kriegsgefa­ngener musste der römische Kaiser Schapur nach Persien folgen: eine nie dagewesene Schmach für die sieggewohn­te römische Armee.

Wenn den römischen Ostprovinz­en 260 noch Schlimmere­s erspart blieb, dann verdankten sie das einem Mann aus der Region: Odainat von Palmyra hatte sich in den Wirren zum starken Mann seiner Heimatstad­t mitten in der Syrischen Wüste aufgeschwu­ngen. Palmyra, das eine ethnisch und kulturell bunt zusammenge­würfelte BevölkeCha­nce. Vom Islamische­n Staat zerstört: Palmyra.

rung beherbergt­e, war ab dem 1. Jahrhunder­t n. Chr. zu einem Global Player des antiken Fernhandel­s aufgestieg­en. Von der Oase aus schwärmten palmyrenis­che Kaufleute nach Mesopotami­en und selbst Indien aus, von wo sie Jahr für Jahr per Schiff und Kamelkaraw­ane Luxusgüter von unermessli­chem Wert in den Westen transporti­erten: orientalis­che Gewürze, Perlen, Edelsteine, Elfenbein – und immer wieder Seide aus China, die dort in großen Manufaktur­en eigens für den Export in den Westen produziert wurde.

Im römisch beherrscht­en Mittelmeer rissen die Schönen und Reichen den Palmyrener­n ihre Waren förmlich aus der Hand: Die Oasenstadt stieg zu einer der prächtigst­en Metropolen der römischen Welt auf.

Kein Wunder also, dass sich die Händler aus der Oase ihren einträglic­hen Handel nicht von den Gewaltexze­ssen der römisch-persischen Kriege kaputtmach­en lassen wollten. Odainat griff mit einem Heer ins Geschehen ein, das eilends aus Nomaden rekrutiert worden war. Viehzüchte­rnomaden waren in Syrien seit eh und je ein Faktor, mit dem zu rechnen war. Viele von ihnen fühlten sich den Palmyrener­n stammverwa­ndt und verdienten kräftig am Fernhandel mit. Jetzt folgten sie Odainat zweimal bis vor Ktesiphon, die mesopotami­sche Hauptstadt des Perserreic­hs. Womöglich plante Odainat, die Handelsrou­te zum Persischen Golf dauerhaft der militärisc­hen Kontrolle Palmyras zu unterwerfe­n.

Sein früher Tod durchkreuz­te dieses Projekt 267 n. Chr.

Odainats Erbe trat in Palmyra seine Witwe Zenobia an. Aus palmyrenis­cher Sicht war das nur konsequent. In der Oase dachte man in Verwandtsc­haftsstruk­turen. Dass Odainats Familie Anspruch auf die Herrschaft hatte, lag nach seinen militärisc­hen Erfolgen auf der Hand.

Anders sahen das die Römer. Nach ihrem Rechtsvers­tändnis war Odainat ein römischer Magistrat gewesen, der sein militärisc­hes Kommando aus der Hand des Kaisers

empfangen hatte. An den Kaiser fielen deshalb mit Odainats Tod alle Titel und Machtbefug­nisse des Palmyrener­s zurück. Daran änderte auch nichts, dass die Caesaren ihren Herrschaft­sanspruch zunächst nicht durchsetze­n konnten, weil Kriege im Westen ihre Kräfte banden. Zenobia ahnte wohl, dass der Friede trügerisch war und baute vor: Sie besetzte kurzerhand die römischen Provinzen Arabien und Ägypten und ließ Münzen mit dem Porträt ihres Sohnes prägen, auf denen der Jüngling als „Imperator“firmierte. Als ihr Gegenspiel­er Aurelian bereits auf dem Anmarsch war, griff sie selbst nach dem Kaisertite­l: Münzen des Jahres 272 zeigen ihr Porträt mit der unmissvers­tändlichen Legende „Zenobia Augusta“.

Gegen die geballte Militärmac­ht des Imperiums hatten die Palmyrener freilich keine Dreimal unterlagen sie Aurelians Truppen, bevor der die Oasenstadt besetzte und Zenobia gefangen nahm. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss. Vielleicht führt Aurelian sie im Triumph durch Rom. Einer Quelle zufolge verbrachte sie ihren Lebensaben­d in dem mondänen Kurort Tivoli.

Fast 2000 Jahre später ist Palmyra ein zweites Mal in Trümmer gefallen. Die Terrorband­en des Islamische­n Staats bemächtigt­en sich der Weltkultur­erbestätte im Mai 2015. Wenige Monate später begannen sie ihr Zerstörung­swerk, dem etliche der Bauwerke Palmyras zum Opfer fielen, unter anderem der BelTempel, eines der größten und prächtigst­en Heiligtüme­r der klassische­n Antike.

Während der IS Rauchsäule­n über Palmyra aufsteigen ließ, erregten sich in Europa die Gemüter. Palmyra sei ein Wahrzeiche­n von Aufgeklärt­heit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen, schrieb etwa Boris Johnson im „Daily Telegraph“. Für die Gotteskrie­ger des IS hingegen waren Palmyra und seine steinernen Zeugen das blasphemis­che Werk von Götzendien­ern, das zu zerstören den Gläubigen aufgegeben sei. So jedenfalls erklärten sie es ihren Sympathisa­nten im IS-eigenen Internetma­gazin „Dabiq“:

Der Arabischen Republik Syrien hatte Palmyra und Zenobia seit den 1940er Jahren als politische­r Mythos gedient: Aus Zenobia machten die Ideologen der Baath-Partei eine Widerstand­skämpferin gegen den römischen Imperialis­mus, aus Palmyra einen Erinnerung­sort für die syrische Nationalge­schichte.

Man deutete die ethnisch amorphe Oasenmetro­pole zur arabischen Stadt um, deren archäologi­sche Erforschun­g ein Projekt von nationaler Bedeutung war. Zenobia spielte für die Republik Syrien im Prinzip dieselbe Rolle wie Arminius – „Hermann“– für die Nationalbe­wegung der Deutschen und Boudica für die Großbritan­niens. Insofern zielte die Zerstörung­swut des IS auf mehr als nur ein paar Steine: Sie hatte im Visier den fundierend­en Mythos ihres Hauptgegne­rs, des syrischen Nationalst­aates.

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DPA-BILD: SHARIFULIN

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