Nordwest-Zeitung

Auftrittsv­erbot provoziert Unterstütz­er

Interview mit Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu – Erdogan-Partei erwartet mehr als 55 Prozent

- VON CAN MEREY

In der Türkei läuft der Wahlkampf auf Hochtouren, in Deutschlan­d ist er verboten. Die im Ausland lebenden Türken sind ab Donnerstag zur Wahl aufgerufen.

FRAGE: Zie Bundesregi­erung hat Wahlkampfa­uftritte für Amtsträger aus Nicht-EUStaaten verboten. Ist das ein Problem für Ihren Wahlkampf? CAVUSOGLU: So ein Verbot provoziert unsere Unterstütz­er nur. Es verstößt gegen die Versammlun­gsfreiheit. Aber Deutschlan­d hat beschlosse­n, dass es keinen Wahlkampf geben soll, und wir respektier­en das. Allerdings sehen wir gleichzeit­ig, dass Unterstütz­er der (verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei) PKK und einer Pro-PKK-Partei (gemeint ist die pro-kurdische HDP) Wahlkampf machen können. Obwohl wir zufrieden sind mit den Maßnahmen, die Deutschlan­d im vergangene­n Jahr gegen die PKK getroffen hat, scheint es, als könnten und sollten deutsche Behörden mehr unternehme­n. FRAGE: Beim Verfassung­sreferendu­m zur Einführung eines Präsidials­ystems im vergangene­n Jahr stimmten mehr als 63 Prozent der Türken in Deutschlan­d, die gewählt haben, für die Vorschläge Erdogans. Was für ein Ergebnis erwarten Sie jetzt? CAVUSOGLU: Wir erwarten dieselbe Unterstütz­ung der türkischen Gemeinscha­ft in Deutschlan­d und Europa, womöglich sogar noch mehr. Die große Mehrheit der Türken im Ausland unterstütz­t uns, auch in Deutschlan­d. Weil sie gesehen haben, wie sehr sich die Türkei in den letzten 16 Jahren verändert hat. FRAGE: Wenn Sie über Deutschlan­d sprechen, klingen Sie deutlich entspannte­r als noch im vergangene­n Jahr. Ist die Krise mit Berlin jetzt vorbei? CAVUSOGLU: Ich kann nicht sagen, dass sie ganz vorbei ist. Schauen Sie, wenn wir Deutschlan­d kritisiere­n müssen, kritisiere­n wir es. Das heißt nicht, dass wir Deutschlan­d hassen oder Feinde Deutschlan­ds sind. Manchmal können die Spannungen hoch sein. Aber unsere Rolle ist, die Lage zu deeskalier­en. Wir haben im vergangene­n Jahr große Fortschrit­te gemacht. Wir haben mit (dem damaligen Bundesauße­nminister) Sigmar Gabriel begonnen, und ich vertraue darauf, dass wir mit Heiko Maas mit demselben Verständni­s weitermach­en. FRAGE: In der Türkei sitzen weiterhin sieben Deutsche im Gefängnis, die nach Einschätzu­ng des Auswärtige­n Amtes aus politische­n Gründen inhaftiert sind... CAVUSOGLU: Das ist überhaupt nicht wahr. Ich muss da sehr deutlich sein: Niemand in der Türkei ist aus politische­n Gründen im Gefängnis. Aber wir haben Gesetze, und niemand genießt Immunität, wenn er Verbrechen verübt. FRAGE: Was ist mit den inhaftiert­en Journalist­en in der Türkei? CAVUSOGLU: In der Türkei ist kein einziger Journalist wegen Journalism­us festgenomm­en oder inhaftiert worden. FRAGE: Sie sagen also, dass der Rang der Türkei auf der Liste

der Pressefrei­heit von Reporter ohne Grenzen 4 wo das Land auf Platz 567 von 578 Staaten liegt 4 unfair ist? CAVUSOGLU: Das ist unfair. Sie haben die Beschuldig­ungen und die Verbrechen nicht überprüft, die diese Leute begangen haben. Manche von ihnen haben tatsächlic­h einen Bankraub begangen. Und manche haben Waffen zur Terrororga­nisation PKK transporti­ert. Außerdem nutzen manche Länder sogenannte Journalist­en als ihre Agenten in der Türkei. Wenn sie gefasst werden, ist es leicht, Druck auszuüben: Oh, die Türkei inhaftiert Journalist­en! Aber tatsächlic­h haben sie für den Geheimdien­st gearbeitet. FRAGE: K9nnen Sie mir ein Beispiel nennen? Ich wei: von keinem einzigen ausländisc­hen Journalist­en, der als Agent in die Türkei gekommen ist? CAVUSOGLU: Sie wissen das nicht, aber ich weiß das. FRAGE: ;u den bevorstehe­nden Wahlen< Es gibt Umfragen, die darauf hindeuten, dass Präsident Erdogan in die Stichwahl muss? CAVUSOGLU: Ich denke nicht, dass wir in die Stichwahl gehen.

Und die Unterstütz­ung für Erdogan nimmt zu. FRAGE: Was ist Ihr ;iel für Erdogan in der ersten Wahlrunde? CAVUSOGLU: Ich denke, wir werden mindestens 55 Prozent bekommen. FRAGE: Und erwarten Sie, dass die AKP ihre absolute =ehrheit im Parlament behält? CAVUSOGLU: Ja. Wir haben ungefähr denselben Rückhalt wie bei der Parlaments­wahl im November 2015. FRAGE: =anche nennen Erdogan einen Diktator und wollen deshalb nicht in die Türkei reisen. Was sagen Sie denen? CAVUSOGLU: Erdogan ist kein Diktator. Erdogan hat dieses Land reformiert. Erdogan hat diesem Land alle Freiheiten gebracht, Pressefrei­heit, das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung, Menschenre­chte. Aber in den vergangene­n drei Jahren haben wir Terrororga­nisationen bekämpft. Wir haben Putschvers­uche niedergesc­hlagen. Es ist keine einfache Zeit für uns. Wir werden zu diesen Reformtage­n zurückkehr­en. Aber zuerst müssen wir sicherstel­len, dass die Terroriste­n besiegt sind.

 ?? DPA-BILD: DEEB ?? Mevlüt Cavusoglu, Außenminis­ter der Türkei, spricht im Rahmen einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in der Stadt Gazipasa nahe Alanya. Am 24. Juni wird in dem südosteuro­päischen Land ein neues Parlament gewählt.
DPA-BILD: DEEB Mevlüt Cavusoglu, Außenminis­ter der Türkei, spricht im Rahmen einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in der Stadt Gazipasa nahe Alanya. Am 24. Juni wird in dem südosteuro­päischen Land ein neues Parlament gewählt.

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