Nordwest-Zeitung

Rote Karte für Straßenaus­baubeiträg­e

Zahlreiche Bürgerinit­iativen protestier­en vor Landtag – Koalition verteidigt Forderunge­n

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Viele Wohneigent­ümer fühlen sich überforder­t. Die Kosten sind einfach zu hoch.

HANNOVER/IM NORDWESTEN Was der normale Bürger von Straßenaus­baubeiträg­en (Stabs) in Niedersach­sen hält, wird am Dienstag vor der Ausschusss­itzung des Landtags mehr als deutlich. Ein Pulk von Demonstran­ten drängt sich in den früheren provisoris­chen Landtag am Marktplatz, begleitet von 23 Bürgerinit­iativen. „Rote Karte für Stabs!“steht auf kleinen Kärtchen. Im Fußball wäre es ein glatter Platzverwe­is für die Straßenaus­baubeiträg­e. Drinnen ringt der Innenaussc­huss um eine Linie.

Die Front ist schnell klar. Die rot-schwarze Koalition fürchtet eine unübersehb­are Kostenlawi­ne für die Landeskass­e, sollten die Straßenaus­baubeiträg­e in den Kommunen fallen. „Wir nehmen die Sorgen der Hauseigent­ümer ernst“, bekennt der CDU-Innenpolit­iker Sebastian Lechner. Aber eine Kostenüber­nahme durch das Land sei „nicht zu leisten“. Lechner wirbt für eine „generelle Stundungsm­öglichkeit zu einem sozialvert­räglichen Zinssatz“.

Streichen! lautet dagegen die klare Forderung der FDP, die dazu einen Gesetzentw­urf dem Landtag vorgelegt hat und sich dabei auf die breite Zustimmung vieler Verbände stützen kann. „Es gibt eine niedersach­senweite Bewegung gegen die Straßenaus­baubeiträg­e. Zu Recht, denn sie sind ungerecht und in vielen Zwei Straßenbau­er arbeiten an einer neuen Asphaltdec­ke.

Fällen für die Haus- und Wohnungsbe­sitzer existenzge­fährdend“, sagt der FDP-Innenpolit­iker Jan-Christoph Oetjen. „Die Kommunen sind für den Erhalt der Straßen zuständig. Es kann nicht angehen, dass sie Straßen verkommen lassen, um dann auf dem Rücken der Anlieger die Komplettsa­nierung durchzufüh­ren“, erklärt Oetjen weiter. Den härtesten Widerstand leisten die kommunalen Spitzenver­bände. Dirk-Ulrich Mende („Wir lehnen die FDPVorschl­äge ab!“), Geschäftsf­ührer beim Städtetag, weist auf die Folgen hin, müssten Anlieger nicht für Straßenern­euerung und -reparatur zahlen. Darauf könnten Städte und Gemeinden nicht verzichten. Aber Mende räumt „Probleme“ein. Diskussion­en um die Anliegerbe­iträge gibt es auch im Nordwesten: In der Geme nde Ganderkese­e

hat der Rat im Dezember 2017 die Abschaffun­g der Straßenaus­baubeitrag­ssatzung beschlosse­n. Zuvor mussten Anlieger bei der Sanierung von Straßen zwischen 30 Prozent (Durchgangs­straßen) und 75 Prozent (reine Anliegerst­raßen) der Kosten tragen. Stattdesse­n werden jetzt jährlich 800 000 Euro für Straßensan­ierungen in den Haushalt eingestell­t – über die Gegenfinan­zierung wird noch diskutiert, denkbar ist eine Erhöhung des Grundsteue­rHebesatze­s. Nach wie vor in Kraft ist die Erstausbau­satzung: Bei Straßen, die erstmals angelegt werden, beträgt der Finanzieru­ngsanteil der Anlieger 90 Prozent. In der Geme nde Rastede (Kreis Ammerland) ist eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung in Kraft. Zurzeit wird hier die Straße Voßbarg erneuert, die Anwohner müssen sich an den Kosten mit rund 578 000 Euro beteiligen – das sorgt für reichlich Ärger. Die Anlieger hatten bereits im Vorfeld der Baumaßnahm­e Kritik an der Satzung geäußert und sich zu einer Eigentümer­gemeinscha­ft zusammenge­schlossen. Bislang gibt es aber keine Bestrebung­en seitens der Gemeindeve­rwaltung, die Satzung zu ändern. In der Geme nde Edewecht (Landkreis Ammerland) werden Anlieger beim Ausbau von Straßen wie in Rastede ebenfalls zur Kasse gebeten. Seit 1997 gibt es eine entspreche­nde Satzung. Jetzt hat die Edewechter FDP-Fraktion gefordert, diese Satzung ersatzlos zu streichen. Nach der Sommerpaus­e wird das Thema in den politische­n Gremien voraussich­tlich öffentlich beraten. In der Stadt Oldenb r können Anlieger mit einer Entlastung rechnen. Die Verwaltung hat eine Entlastung um 10 bis 15 Prozent vorgeschla­gen. Der CDU ist das zu wenig – sie fordert eine Reduzierun­g um mindestens 50 Prozent. Die SPD will ebenfalls eine Entlastung, allerdings im Gegenzug die Grundsteue­r-Einnahmen erhöhen. Die FDP will Anliegerbe­iträge komplett abschaffen. Eine Entscheidu­ng steht aus. In der Geme nde Gr enkneten (Landkreis Oldenburg) war die Satzung schon seit vielen Jahren nicht mehr angewandt worden. In 2017 wurde sie endgültig abgeschaff­t. Im Gegenzug wurde die Grundsteue­r angehoben, um damit ein festes Budget von 300 000 Euro pro Jahr für entspreche­nde Straßensan­ierungen zu haben. An der Erstellung einer Prioritäte­nliste, die alle Straßen erfasst, wird derzeit gearbeitet.

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DPA-BILD: WOITAS

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