Wirbel um Landwirtschafts-Studie
Rückschritte bei Pestizid-Einsatz oder Statistik-Schwindel?
Die Landwirtschaft kommt beim Umweltschutz zu langsam voran, kritisiert das Amt. Die Folgen seien dramatisch.
BERLIN Die deutsche Landwirtschaft kommt beim Umweltund Naturschutz nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (UBA) zu langsam voran. Beim Einsatz von Pestiziden und der Zerstörung bestimmter Lebensräume gibt es aus Umweltsicht sogar Rückschritte, wie die Datensammlung „Umwelt und Landwirtschaft“der Behörde zeigt. Scharfe Kritik an der Untersuchung kommt aus der Agrarwirtschaft. Der Industrieverband Agrar (IVA) warf dem UBA „Statistik-Schwindel von Amts wegen“vor.
Problematisch ist nach Einschätzung des Umweltbundesamts vor allem die Konzentration auf wenige Fruchtarten, der hohe Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld und von Arzneimitteln im Stall. Demnach ist der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland zwischen 1994 und 2015 von knapp 30000 Tonnen auf über 40 000 Tonnen gestiegen. Ein gutes Drittel davon (34 Prozent) sind Unkrautgifte, darunter auch Glyphosat.
„Zahlreiche Studien belegen, dass das Insektensterben Streitthema: der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln
im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln steht. Selbst im Grundwasser werden regelmäßig Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen“, heißt es beim Umweltbundesamt.
Zugleich sinkt der Anteil der Flächen mit hohem sogenannten Naturwert, etwa artenreiches Grünland, Brachflächen oder Streuobstwiesen. Demnach lag er im Jahr 2009 noch bei 13,1 Prozent, 2015 waren es noch 11,4 Prozent. Die Stickstoff-Einträge der Landwirtschaft etwa aus Gülle, die etwa Grundwasser, Flüsse und Seen belasten, gehen zwar zurück – von 118 Kilogramm pro Hektar 1993 auf noch 97 Kilogramm im Jahr 2013. Der Trend hat sich nach UBA-Angaben aber in den vergangenen zehn Jahren deutlich verlangsamt.
Als Konsequenz fordert UBA-Präsidentin Maria Krautzberger, die EU-Agrarpolitik stärker an Umweltkriterien auszurichten. Es dürften nicht mehr die größten Betriebe das meiste Geld bekommen, sondern diejenigen, die etwa durch gezieltes Düngen oder Schutzräume für Insekten die Natur schonten. „Mehr Ökologie darf kein Nischenthema sein“, sagte sie.
Der Industrieverband Agrar warf dem UBA dagegen vor, die Absatzzahlen von Pflanzenschutzmitteln künstlich aufzublähen und sprach in einer Stellungnahme von „fragwürdigen statistischen Kunstgriffen“. Das Umweltbundesamt habe bewusst ein Referenzjahr herausgegriffen, um den gewünschten Trend zu generieren, heißt es in einer Stellungnahme des IVA.
Denn 1994 sei, u.a. wegen vieler Flächenstilllegungen, das Jahr mit dem historisch niedrigsten Absatz an Pflanzenschutzmitteln gewesen.
Unverständlich sei laut IVA auch, warum das Umweltbundesamt in seiner „Daten zur Umwelt 2018“überschriebenen Studie mit Zahlen von 2015 arbeitete, obwohl es aktuellere Daten gebe. Auf der Seite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit etwa fänden sich Zahlen von 2016 – und in dem Jahr sei der Absatz von Pflanzenschutzmitteln weiter gesunken.
Auch der Deutsche Bauernverband kritisierte das UBA. Es bausche alte Zahlen auf und ignoriere die Weiterentwicklungen in der Landwirtschaft, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken.