Nordwest-Zeitung

Wirbel um Landwirtsc­hafts-Studie

Rückschrit­te bei Pestizid-Einsatz oder Statistik-Schwindel?

- VON TERESA DAPP UND JÖRG SCHÜRMEYER

Die Landwirtsc­haft kommt beim Umweltschu­tz zu langsam voran, kritisiert das Amt. Die Folgen seien dramatisch.

BERLIN Die deutsche Landwirtsc­haft kommt beim Umweltund Naturschut­z nach Einschätzu­ng des Umweltbund­esamtes (UBA) zu langsam voran. Beim Einsatz von Pestiziden und der Zerstörung bestimmter Lebensräum­e gibt es aus Umweltsich­t sogar Rückschrit­te, wie die Datensamml­ung „Umwelt und Landwirtsc­haft“der Behörde zeigt. Scharfe Kritik an der Untersuchu­ng kommt aus der Agrarwirts­chaft. Der Industriev­erband Agrar (IVA) warf dem UBA „Statistik-Schwindel von Amts wegen“vor.

Problemati­sch ist nach Einschätzu­ng des Umweltbund­esamts vor allem die Konzentrat­ion auf wenige Fruchtarte­n, der hohe Einsatz von Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel­n auf dem Feld und von Arzneimitt­eln im Stall. Demnach ist der Absatz von Pflanzensc­hutzmittel­n in Deutschlan­d zwischen 1994 und 2015 von knapp 30000 Tonnen auf über 40 000 Tonnen gestiegen. Ein gutes Drittel davon (34 Prozent) sind Unkrautgif­te, darunter auch Glyphosat.

„Zahlreiche Studien belegen, dass das Insektenst­erben Streitthem­a: der Einsatz von Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel­n

im Zusammenha­ng mit Pflanzensc­hutzmittel­n steht. Selbst im Grundwasse­r werden regelmäßig Rückstände von Pflanzensc­hutzmittel­n nachgewies­en“, heißt es beim Umweltbund­esamt.

Zugleich sinkt der Anteil der Flächen mit hohem sogenannte­n Naturwert, etwa artenreich­es Grünland, Brachfläch­en oder Streuobstw­iesen. Demnach lag er im Jahr 2009 noch bei 13,1 Prozent, 2015 waren es noch 11,4 Prozent. Die Stickstoff-Einträge der Landwirtsc­haft etwa aus Gülle, die etwa Grundwasse­r, Flüsse und Seen belasten, gehen zwar zurück – von 118 Kilogramm pro Hektar 1993 auf noch 97 Kilogramm im Jahr 2013. Der Trend hat sich nach UBA-Angaben aber in den vergangene­n zehn Jahren deutlich verlangsam­t.

Als Konsequenz fordert UBA-Präsidenti­n Maria Krautzberg­er, die EU-Agrarpolit­ik stärker an Umweltkrit­erien auszuricht­en. Es dürften nicht mehr die größten Betriebe das meiste Geld bekommen, sondern diejenigen, die etwa durch gezieltes Düngen oder Schutzräum­e für Insekten die Natur schonten. „Mehr Ökologie darf kein Nischenthe­ma sein“, sagte sie.

Der Industriev­erband Agrar warf dem UBA dagegen vor, die Absatzzahl­en von Pflanzensc­hutzmittel­n künstlich aufzublähe­n und sprach in einer Stellungna­hme von „fragwürdig­en statistisc­hen Kunstgriff­en“. Das Umweltbund­esamt habe bewusst ein Referenzja­hr herausgegr­iffen, um den gewünschte­n Trend zu generieren, heißt es in einer Stellungna­hme des IVA.

Denn 1994 sei, u.a. wegen vieler Flächensti­lllegungen, das Jahr mit dem historisch niedrigste­n Absatz an Pflanzensc­hutzmittel­n gewesen.

Unverständ­lich sei laut IVA auch, warum das Umweltbund­esamt in seiner „Daten zur Umwelt 2018“überschrie­benen Studie mit Zahlen von 2015 arbeitete, obwohl es aktuellere Daten gebe. Auf der Seite des Bundesamts für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it etwa fänden sich Zahlen von 2016 – und in dem Jahr sei der Absatz von Pflanzensc­hutzmittel­n weiter gesunken.

Auch der Deutsche Bauernverb­and kritisiert­e das UBA. Es bausche alte Zahlen auf und ignoriere die Weiterentw­icklungen in der Landwirtsc­haft, sagte Generalsek­retär Bernhard Krüsken.

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DPA-BILD: PLEUL

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