„Minderheiten werden stark bedrängt“
Der neue deutsche Religionsfreiheitsbeauftragte über seine Aufgaben
FRAGE: Herr Grübel, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen? GRÜBEL: Das Amt kam eher zu mir. Aber ich bin ein gläubiger Katholik. Mir ist Religion wichtig und ich kann verstehen, welche Bedeutung Religion für andere hat. Zudem ist mir während meiner Zeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium das Thema Religionsfreiheit mit Blick auf die Verfolgung von Christen, Jesiden und anderen religiöse Minderheiten im Irak begegnet. FRAGE: Sie sind der erste Amtsinhaber. Weshalb wurde dieses Amt gerade jetzt eingerichtet? GRÜBEL: Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Erhebungen zufolge können bis
zu drei Viertel der Menschen ihr Recht auf Religionsfreiheit nicht frei ausüben. Vor wenigen Jahren galt dies etwa für Christen in 108 Ländern weltweit, mittlerweile sind es 128. FRAGE: Welche Länder bereiten Ihnen die größten Sorgen? GRÜBEL: Durch die Radikalisierung im Islam werden religiöse Minderheiten, aber auch Muslime selbst stark bedrängt. Christen gelten dann oft als Bürger zweiter Klasse. Die Diskriminierung reicht von Problemen beim Bau von Gotteshäusern bis hin zur Zeugenaussage vor Gericht. Religionsstreitigkeiten sind auch Brandbeschleuniger in Konflikten oder werden aus Machtgründen missbraucht. FRAGE: Wo sehen Sie vorrangig Ihre Aufgabe? GRÜBEL: Es drängt sich die Nachkriegsordnung im Nordirak auf, wo es bedrohte traditionsreiche christliche Kirchen sowie Jesiden und andere Minderheiten gibt. Ich war unlängst dort. Ziel muss sein, den interreligiösen Dialog und einen Aussöhnungsprozess zu gestalten, bei dem alle Religionen einbezogen werden. Keine Religion darf aussterben, Gotteshäuser müssen wieder aufgebaut werden, dafür brauchen religiöse Minderheiten Sicherheit. Flüchtlinge sollen die Chance zur Rückkehr erhalten. FRAGE: Fehlt es an öffentlichem Bewusstsein für das Drama der Christenverfolgung? GRÜBEL: Leider wird unglaublich viel über den „Islamischen Staat“berichtet, aber wenig über die Opfer. Wir müssen sie wesentlich stärker in den Fokus stellen.