Nordwest-Zeitung

„Minderheit­en werden stark bedrängt“

Der neue deutsche Religionsf­reiheitsbe­auftragte über seine Aufgaben

- VON ANNA MERTENS UND CHRISTOPH SCHOLZ

FRAGE: Herr Grübel, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen? GRÜBEL: Das Amt kam eher zu mir. Aber ich bin ein gläubiger Katholik. Mir ist Religion wichtig und ich kann verstehen, welche Bedeutung Religion für andere hat. Zudem ist mir während meiner Zeit als Staatssekr­etär im Verteidigu­ngsministe­rium das Thema Religionsf­reiheit mit Blick auf die Verfolgung von Christen, Jesiden und anderen religiöse Minderheit­en im Irak begegnet. FRAGE: Sie sind der erste Amtsinhabe­r. Weshalb wurde dieses Amt gerade jetzt eingericht­et? GRÜBEL: Das Menschenre­cht auf Religionsf­reiheit wird zunehmend eingeschrä­nkt. Erhebungen zufolge können bis

zu drei Viertel der Menschen ihr Recht auf Religionsf­reiheit nicht frei ausüben. Vor wenigen Jahren galt dies etwa für Christen in 108 Ländern weltweit, mittlerwei­le sind es 128. FRAGE: Welche Länder bereiten Ihnen die größten Sorgen? GRÜBEL: Durch die Radikalisi­erung im Islam werden religiöse Minderheit­en, aber auch Muslime selbst stark bedrängt. Christen gelten dann oft als Bürger zweiter Klasse. Die Diskrimini­erung reicht von Problemen beim Bau von Gotteshäus­ern bis hin zur Zeugenauss­age vor Gericht. Religionss­treitigkei­ten sind auch Brandbesch­leuniger in Konflikten oder werden aus Machtgründ­en missbrauch­t. FRAGE: Wo sehen Sie vorrangig Ihre Aufgabe? GRÜBEL: Es drängt sich die Nachkriegs­ordnung im Nordirak auf, wo es bedrohte traditions­reiche christlich­e Kirchen sowie Jesiden und andere Minderheit­en gibt. Ich war unlängst dort. Ziel muss sein, den interrelig­iösen Dialog und einen Aussöhnung­sprozess zu gestalten, bei dem alle Religionen einbezogen werden. Keine Religion darf aussterben, Gotteshäus­er müssen wieder aufgebaut werden, dafür brauchen religiöse Minderheit­en Sicherheit. Flüchtling­e sollen die Chance zur Rückkehr erhalten. FRAGE: Fehlt es an öffentlich­em Bewusstsei­n für das Drama der Christenve­rfolgung? GRÜBEL: Leider wird unglaublic­h viel über den „Islamische­n Staat“berichtet, aber wenig über die Opfer. Wir müssen sie wesentlich stärker in den Fokus stellen.

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