Lynchjustiz in Bremen nach TV-Bericht?
Mann in Wohnung überfallen – Opfer zeitweise in Lebensgefahr
BREMEN Ein Lynchmob dringt in eine Wohnung in Bremen ein und schlägt den Bewohner zusammen. Die Gewalt ist so heftig, dass der 50-Jährige zeitweise in Lebensgefahr ist. Zeugen zufolge hielten die Täter das Opfer für einen Pädophilen, der in einem Fernsehbericht zu sehen gewesen sei. Die Ermittler wollen jetzt den Beitrag aus der RTL-Sendung „Punkt 12“genau unter die Lupe nehmen. Fest steht aber schon: „Er ist nicht derjenige aus dem Video gewesen“, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, am Donnerstag sagte.
RTL entfernte den Beitrag aus dem Internet. Ein Sprecher wies aber darauf hin, dass man die journalistische Sorgfaltspflicht in jeder Hinsicht gewahrt habe. Im Beitrag habe es keinerlei Hinweise auf den Ort oder eine vermeintliche Adresse des mutmaßlichen Pädophilen gegeben, teilte der Sprecher weiter mit. Er betonte: „RTL verurteilt den brutalen Akt der Lynchjustiz in Bremen auf das Schärfste.“
Die Täter glaubten nach Angaben der Ermittler, in dem Bericht den 50-Jährigen und auch das Haus, in dem er wohnt, wiedererkannt zu haben. Nach der Ausstrahlung am Dienstagmittag habe sich eine Gruppe von sieben bis zehn Menschen dort versammelt, sagte Passade. „Ob tatsächlich alle an der Tathandlung beteiligt waren, müssen wir klären.“In welchen Verhältnis die Angreifer zum Opfer standen und ob ihre Identitäten bekannt sind, wollte er nicht sagen. Die Polizei konnte den 50-Jährigen kurz befragen, bevor er ins Krankenhaus kam. Er ist inzwischen nicht mehr in Lebensgefahr.
Dass Bürger Selbstjustiz üben, kommt immer wieder vor. 1981 erschoss eine Gastwirtin in einem Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter. Für Aufsehen sorgte auch die Tat eines Russen, der bei der Flugzeugkatastrophe am Bodensee seine Frau und zwei Kinder verloren hatte und 2004 deshalb einen Mitarbeiter der Flugsicherung erstach. Eine Debatte über die Rolle der Medien löste 2012 der Mord an der elfjährigen Lena in Emden aus. Nach Lynch-Aufrufen im Internet belagerte ein Mob die Polizeiwache und forderte die Herausgabe eines 17-Jährigen, der sich als unschuldig erwies.