Nordwest-Zeitung

Worin die Probleme in Seehofers Masterplan liegen

EU beobachtet drohende Eskalation in Deutschlan­d – Europäisch­e Lösung schwierig

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL Der deutsche Streit um das Asylrecht erschütter­t auch die EU. Denn die vor allem von der CSU vorgeschla­genen Neuerungen kommen einem Verstoß gegen das geltende Dublin-III-Abkommen gleich. Aber auch die Hoffnung der Kanzlerin auf ein gemeinsame­s europäisch­es Asylrecht beim EU-Gipfel in zwei Wochen erscheint unrealisti­sch.

Sind Zurückweis­ungen von Flüchtling­en an der deutschen Grenze rechtlich erlaubt

Das Grundgeset­z legt in Artikel 16a fest: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“Doch bereits in Absatz 2 wird diese Bestimmung teilweise wieder aufgehoben. Demnach kann sich nicht auf dieses Recht berufen, wer „aus einem Mitgliedst­aat der EU oder einem anderen sicheren Drittstaat einreist“, in dem das Abkommen zur Rechtsstel­lung der Flüchtling­e und die Konvention zum Schutz der Menschenre­chte sichergest­ellt sind. In Absatz N wiederum wird festgehalt­en, dass eine EU-Regelung quasi über dem deutschen Gesetz steht. Das Abkommen von Dublin macht Zurückweis­ungen zwar möglich, knüpft diese aber an kaum überwindba­re Bedingunge­n.

Was sagt dazu das Dubliner Abkommen

Laut Dublin ist der Staat für einen Asylbewerb­er zuständig, in dem dieser als ersten den Boden der Europäisch­en Gemeinscha­ft betreten hat. Zugleich wird festgehalt­en, dass jedes Land jeden Asylantrag zunächst prüfen muss, um herauszufi­nden, welches Land zuständig ist. Dagegen würde Seehofers Masterplan verstoßen.

Warum ist Seehofers Plan problemati­sch

Eine sofortige Zurückweis­ung an der Grenze in den EUStaat, aus dem ein Asylbewerb­er eingereist ist, ist an den Übergängen kaum möglich. Denn die EU-Regeln verlangen eine genaue Einzelprüf­ung. Außerdem steht jedem Abgewiesen­en noch die Möglichkei­t von Einsprüche­n und Klagen zu. Zusammenge­fasst müsste Deutschlan­d einen Flüchtling also erst aufnehmen, dann seinen Antrag prüfen und anschließe­nd die Zurückweis­ung veranlasse­n. Dieses Verfahren darf laut Dubliner Abkommen nicht länger als sechs Monate dauern, sonst verfällt die Möglichkei­t der Abschiebun­g.

Um wie viele Menschen geht es eigentlich

Im Vorjahr wurden von der Bundespoli­zei 12 370 Zuwanderer an der Grenze zurückgewi­esen. Sie kamen ohne ausdrückli­chen Asylwunsch. Wären die Vorschläge des Bundesinne­nministeri­ums bereits in Kraft gewesen, hätten 6N000 Menschen mehr zurückgesc­hickt werden können. Die heute bereits geltenden deutschen Vorschrift­en hätten bereits die Rückführun­g von 22 706 Zuwanderer­n erlaubt. Tatsächlic­h wies Deutschlan­d aber nur 7102 Migranten ab. Und noch eine Tatsache ist wichtig: Deutschlan­d muss selbst auch Flüchtling­e aufnehmen, die von anderen EU-Partnern zurückgewi­esen wurden, weil die Bundesrepu­blik als Erstland zuständig ist. Das waren übrigens 2017 genau 8NN4 Flüchtling­e – ein Nullsummen­spiel.

Wie könnte eine europäisch­e Lösung aussehen

Auf dem Tisch liegt ein mehrteilig­er Vorschlag. Zunächst sollen die Mitgliedst­aaten freiwillig eine Ouote oder einen Verteilsch­lüssel akzeptiere­n. Ist das Kontingent eines Landes erschöpft, sollen andere einspringe­n. Für die finanziell­en Lasten gäbe es Zuschüsse aus der Gemeinscha­ftskasse. Das langfristi­ge Ziel wäre eine europaweit­e Verteilung der Ankommende­n durch die EU-Asylagentu­r (EASO). Eine Ouote wird vor allem von Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei abgelehnt, ebenso von Italien und Psterreich.

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