Nordwest-Zeitung

Zeitgemäß-korrekt, steril und belanglos

„Die Mannschaft“will nicht mehr „national“sein, doch die Fans schwelgen in Schwarz-Rot-Gold

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IEi esteier Ich hab’s nicht so mit Fußball. Zum einen kann sich das Spiel weder was Kultur noch was Eleganz angeht zum Beispiel mit Cricket oder Baseball messen. Zum anderen: Wen kümmert es schon, ob die Antibiotik­aHühnchen-Truppe oder die Koffein-Brause-Mannschaft gewinnt? Nun ist Fußball aber auch eine politische Angelegenh­eit und damit wird das Ganze schon interessan­ter – insbesonde­re in Zeiten von WM oder EM.

Was in diesem Jahr schon jetzt auffällt, ist ein merkwürdig­er Riss zwischen denen, die da in Russland spielen, und den Menschen in Deutschlan­d. Schwarz-RotGold oder auch nur irgendeine­n positiven symbolisch­en Bezug zu Deutschlan­d sucht man bei Spielern und Offizielle­n vergeblich. Mal sehen, wie viele diesmal die Hymne mitsingen werden. „Nationalma­nnschaft“darf die Truppe ja auch schon seit 2015 nicht mehr heißen. Jetzt ist sie „Die Mannschaft“– das klingt zeitgemäß-korrekt (Nur weg mit all dem toxischen „Nationalen“!) und ist dabei so steril wie belanglos. So eine „Mannschaft“hat schließlic­h in Deutschlan­d jedes Dorf mit Fußballpla­tz. Mit dem Unterschie­d, dass in Kleinkleck­ersdorf nicht die Kanzlerin auf Tuchfühlun­g geht und für unerfreuli­che Nähe zweier Spieler zum türkischen Islamisten-Präsident Erdogan auch niemand verkniffen um Verständni­s werben muss. In Deutschlan­d haben das alles die Fans scheinbar noch nicht bemerkt – oder besser: haben sich entschloss­en, es nicht bemerken zu wollen. Schon rüsten sie ihre Autos wieder mit schwarz-rot-goldenem Zubehör aus und kaufen fleißig DFB-Devotional­ien. So entsteht das merkwürdig­e Ergebnis, dass nun wohl eine Fußballtru­ppe als Kristallis­ationspunk­t patriotisc­her Gefühle herhalten wird, die alles, aber wirklich alles dafür getan hat, so wenig deutsch wie möglich zu wirken. Das nennt man dann wohl einen deutschen Sonderweg.

Autor dieses Beitrages ist

Alexander Will. Der 47-Jährige schreibt für diese Zeitung über deutsche und internatio­nale Politik.

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