Einzug in Thomas Manns Exil-Villa
Kalifornisches Zuhause des Literatur-Nobelpreisträgers wird Domizil für Stipendiaten
Bundespräsident FrankWalter Steinmeier reist am Montag zur Eröffnung an. Auch Thomas Manns Enkel Frido wird zu den Feierlichkeiten erwartet.
LOS ANGELES Für Thomas Mann (1875–1955) war es das Haus der „Seven Palms“: Im hügeligen Pacific Palisades in Los Angeles – von Zitronenhainen und Palmen umgeben – fand der Schriftsteller nach der Emigration aus NaziDeutschland für sich und seine Familie in den 1940er Jahren eine Exil-Heimat. Jetzt wird das zweistöckige weiße Haus mit der Adresse „1550 San Remo Drive“im vornehmen „Riviera“-Viertel zum Domizil für deutsche Stipendiaten.
Weißes Haus im Exil
Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist die offizielle Einweihung des „Thomas Mann House“am Montag, 18. Juni, ein wichtiger Stopp auf seiner mehrtägigen Kalifornien-Reise. Am Dienstag soll er bei der begleitenden Konferenz „The Struggle for Democracy“(dt.: Der Kampf für Demokratie) die Eröffnungsrede halten. Auch Frido Mann, ein Enkel von Thomas Mann, wird zu den Feierlichkeiten erwartet.
Das Residenzprogramm Die Computergrafik zeigt das restaurierte Thomas Mann Haus in Los Angeles. In das ehemalige Exil-Zuhause von Thomas Mann (kleines Bild) ziehen deutsche Stipendiaten ein.
soll Intellektuellen Gelegenheit zum Austausch untereinander und mit dem Gastland über die großen Fragen unserer Zeit bieten – so lautet die Zielsetzung der Einrichtung. Am Kauf der Villa durch die Bundesregierung war Steinmeier 2016 als Außenminister maßgeblich beteiligt. Für das „Weiße Haus des Exils“, wie er es damals nannte, zahlte Deutschland einem kalifornischen Luxusmakler rund 13 Millionen Dollar.
„Das ist überhaupt nichts für diese Gegend“, sagte die Architekturhistorikerin Lilian Pfaff kürzlich. Das Grundstück allein sei schon so viel wert. Pfaff schreibt ein Buch über das Werk des deutschstämmigen Architekten Julius Ralph Davidson (1889–1977),
einer der Hauptvertreter der kalifornischen Moderne, der das Haus 1942 für den Literatur-Nobelpreisträger baute. Pfaff beschreibt die Villa als ein „verstecktes Kleinod“, das in der Architekturgeschichte von Los Angeles aber wenig bekannt sei.
Tatsächlich war das Haus über die Jahre hinweg wie eine Dornröschen-Villa zugewachsen und von knorrigen Bäumen und hohen Büschen abgeschirmt. Drei der einst sieben Palmen stehen noch auf dem weitläufigen Grundstück.
Nach den Manns, die 1952 in die Schweiz zogen, lebten hier mehr als 60 Jahre der kalifornische Anwalt Chet Lappen und seine Frau Jon. Das kulturelle Erbe ihrer Immobilie war ihnen bewusst, aber unter
Denkmalschutz Haus nicht.
2016 wurde das Haus von Immobilienmaklern als Millionenobjekt in einer „ultraexklusiven“Nachbarschaft angepriesen. Der künftige Besitzer könnte hier ein TraumAnwesen errichten, sprich das alte Haus abreißen, so die Empfehlung. Autoren, Verleger und Künstler in Deutschland liefen Sturm. Per OnlinePetition forderten sie die Bundesrepublik auf, das Haus zu erwerben und zu einem Erinnerungsund Begegnungsort auszubauen. Der drohende Abriss wurde abgewendet.
stand
das
Früheres Arbeitszimmer
Als erster Stipendiat zieht nun nun der Schauspieler Burghart Klaußner („Das weiße
Band“) ein, gefolgt von der Berliner Soziologin Jutta Allmendinger, dem in Göttingen lehrenden Thomas-MannForscher Heinrich Detering und dem Mikroelektroniker Yiannos Manoli.
Mit fünf Millionen Dollar wurden die Renovierungsarbeiten am Haus beziffert. Alles wurde von Grund auf saniert. Der Grundriss blieb erhalten, doch vom alten Innenausbau ist nicht mehr viel übrig. Bis auf das historische Herzstück im Erdgeschoss – Manns früheres Arbeitszimmer, in dem er Werke wie „Joseph, der Ernährer“und den Musikerroman „Doktor Faustus“schrieb. In diesem Büro erarbeitete der Hitler-Gegner in den Kriegsjahren auch seine BBC-Radioansprachen „Deutsche Hörer!“.