Nordwest-Zeitung

„Das war mit Sicherheit nicht sauber“

Rechtsexpe­rten kritisiere­n schnelle Rückführun­g des Verdächtig­en Ali B.

- VON EVA KRAFCZYK

Die Flucht des Tatverdäch­tigen im Mordfall Susanna währte nur kurz: Bundespoli­zisten holten den Mann aus dem Irak zurück nach Deutschlan­d. Dafür gibt es scharfe Kritik.

WIESBADEN Für die Ermittler war die schnelle Rückführun­g von Ali B., des Tatverdäch­tigen im Mordfall Susanna, aus dem Nordirak ein Erfolg. Strafverte­idiger sehen dies jedoch als problemati­sch an. „Ich glaube, man wollte einfach einen schnellen Ermittlung­serfolg“, sagte Jürgen Möthrath, Präsident des Deutschen Strafverte­idigerverb­ands. „Man kann aber nicht sagen: Der Zweck heiligt die Mittel. Das gilt ganz besonders für den Staat.“

Möthrath wies darauf hin, dass ein normales Auslieferu­ngsverfahr­en selbst aus Staaten, mit denen Deutschlan­d ein Auslieferu­ngsabkomme­n habe, Wochen oder Monate dauern könne. „Der internatio­nale Haftbefehl muss übersetzt werden, ein Gericht muss über die Auslie- ferung entscheide­n – das alles gab es hier nicht.“

Ali B. soll die 14 Jahre alte Susanna im Mai vergewalti­gt und getötet haben. Der abgelehnte Asylbewerb­er hatte sich mit seiner Familie nach der Tat in den Nordirak abgesetzt. Susannas Leiche war in der vergangene­n Woche nahe einem Bahngleis in Wiesbaden gefunden worden. Seitdem wurde nach Ali B. gefahndet, Polizisten der kurdischen Regionalbe­hörden im Irak nahmen ihn fest. Am Samstag holten Bundespoli­zisten den jungen Mann an Bord einer Lufthansa-Maschine nach Deutschlan­d zurück. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft und gestand, er habe Susanna nach einem Streit getötet.

„Das hat mit einem rechtsstaa­tlichen Verwaltung­sverfahren nichts zu tun“, sagte der Berliner Anwalt Carsten Hoenig, der in seinem Blog das Verhalten der Strafverfo­lgungsbehö­rden kritisiert­e. „Was hier passiert ist, war mit Sicherheit nicht sauber.“Zwar könnten gerade im Fall von Staaten, mit denen kein Auslieferu­ngsabkomme­n bestehe, „informelle Kanäle“genutzt werden, um einen Tatverdäch­tigen in Deutschlan­d zur Verantwort­ung ziehen zu können. „Das geht aber auch anders als in diesem Fall.““, sagte Hoenig.

Die Mainzer Polizei räumte indes ein, anfangs nicht von einem Verbrechen ausgegange­n zu sein. Polizeiprä­sident Reiner Hamm berichtete am Freitag, Susannas Mutter habe die 14-Jährige zwar am 23. Mai vermisst gemeldet, aber auch gesagt, dass sie keine Angst habe und dass die 14Jährige schon häufiger nachts weg gewesen sei. Eine Gefahr für Leib und Leben habe man damals nicht gesehen und daher zunächst keine HandyOrtun­g oder Öffentlich­keitsfahnd­ung in die Wege geleitet.

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