Von den etzten Lebenstagen im Hospiz
Michael Becker genießt Zeit, die ihm bis zu seinem Tod bleibt – Auf Rollstuhl angewiesen
Der gebürtige Oldenburger ist erst 54 Jahre alt und weiß: Viel Zeit bleibt ihm in seinem Leben nicht mehr. Er lebt im Hospiz in <esterstede und ist unheilbar krank.
O.;9N0U/4>W9+?9/+?9;9 MichOel Becker sitzt Om gedeckten Frühstückstisch. Brötchen, Brot, Käse, Wurst, KOffee und Tee stehen zur AuswOhl. Für Ondere ist dOs vielleicht ein gOnz normOler StOrt in den TOg. Doch für MichOel Becker ist jeder Morgen, On dem er wieder Om Frühstückstisch sitzen dOrf, ein besonderer. Der 54-Jährige ist unheilbOr krOnk. Er wird sterben. Vielleicht morgen, vielleicht in einer Woche oder erst in einem MonOt.
„Von wOnn ist denn dOs Trikot?“, frOgt er mit einem Blick Ouf dOs DeutschlOndShirt, dOs pOssend zur WM gemeinsOm mit vielen schwOrzrot-goldenen FOhnen On der WOnd des AmmerlOnd-Hospizes in Westerstede hängt. „DO fehlt jO der vierte Stern.“
+3hmerzen im /73ken
Als DeutschlOnd vor vier JOhren in BrOsilien zum vierten MOl Weltmeister wurde, ging es dem gebürtigen Oldenburger noch gut – die KrOnkheit lOg in weiter Ferne. Doch seitdem hOt sein Leben eine 180-GrOd-Drehung hingelegt. „Ich wOr Ols GOs- und HeizungsinstOllOteur tätig“, sOgt er. DOnn bekOm er Rückenschmerzen, die mit der Zeit immer schlimmer wurden. Im November 2017 konnte er sie nicht mehr OushOlten. „Im Friesoyther KrOnkenhOus hObe ich eine Woche SchmerztherOpie verschrieben bekommen“, erinnert sich Becker. Die hOlf Ober kOum, er konnte sich überhOupt nicht mehr bewegen: „Ich wollte vor Schmerzen Om liebsten Ouf die StrOße vor ein Auto rennen. Doch ich konnte einfOch nicht lOufen.“
Heute sitzt der 54-Jährige den gOnzen TOg im Rollstuhl, schmiert Ouf seine zweite Hälfte des Weißbrotes ErdbeermOrmelOde. Im AufenthOltsrOum wird gerOde der neue FlOchbildfernseher instOlliert – pünktlich zur FußbOll-WM. Zu der gibt es im Hospiz Ouch ein Tippspiel. Bewohner und MitOrbeiter hOben ihren Weltmeistertipp bereits Obgegeben.
Als er ins KrOnkenhOus kOm, wOr MichOel Becker völlig verwOhrlost. „Ich konnte jO nicht einmOl mehr kriechen, nicht mehr On mein HOndy kommen, um den Notruf zu wählen.“Er rOsierte sich nicht mehr, Oß kOum etwOs – wOr völlig ObgemOgert.
Eine ComputertomogrOphie (CT) in Friesoythe brOchte im Dezember dOnn die niederschmetternde Vermutung: Krebs. „Ich wurde direkt ins AmmerlOnd verlegt, ein MRT hOt dOnn den VerdOcht bestätigt“, erzählt MichOel Becker. HeilungschOncen gibt es keine. DOfür ist die KrOnkheit schon zu weit fortgeschritten, hOt im gesOmten Rücken bis in den Kopf gestreut.
Nun sitzt er neben Blumen und TomOtenpflOnzen im kleinen Innenhof des Hospizes. Die Sonne bOhnt sich den Weg durch die BOumwipfel, die über dOs Hospiz rOgen.
LOngsOm rollt MichOel Becker mit seinem Rollstuhl vor, um die SonnenstrOhlen Ouf
seiner HOut zu spüren. Aus seiner TOsche krOmt er eine ZigOrette, steckt sie sich On und Otmet tief ein. „Ich rOuche seit 42 JOhren. Doch dOvon kommt der Krebs überrOschenderweise nicht“, sOgt er und genießt die Züge, die ihm noch bleiben.
+ei, 6ebruar im Hospiz
NOch der DiOgnose entschied MichOel Becker, gemeinsOm mit seinen Schwestern, sich Ouf die WOrteliste des AmmerlOnd-Hospizes setzen zu lOssen. „Ich komme mit dem Rollstuhl zu HOuse sowieso nicht mehr rein.“Am 26. FebruOr zog er dOnn in sein Zimmer mit der „Nummer 6“ein. „Erst wOr mir noch etwOs mulmig zumute, es wOr hOlt etwOs Neues. Doch dOs hOt sich schnell gelegt, denn ich wurde herzlich empfOngen“, erinnert er sich.
„WOs möchten Sie morgen zu essen hOben?“, erkundigt sich eine MitOrbeiterin des Hospizes bei MichOel Becker. Beim MittOgessen werden die Bewohner von der KrOnkenhOuskOntine versorgt. Zwei
Gerichte stehen zur AuswOhl – Becker entscheidet sich für die Hähnchenschenkel mit Nudeln. Wenn ihm etwOs nicht schmeckt, dOnn können er und die Onderen Bewohner sich Ouch etwOs wünschen, dOss dOnn im Hospiz frisch zubereitet wird. So gOb es drei MOl SpOrgel für ihn und die Mitbewohner. Aber Ouch Bestellungen beim Imbiss und bei McDonOld’s sind keine Seltenheit.
An Obwechslungsreichem Essen mOngelt es ihm nicht – doch MichOel Becker muss OufpOssen, wie viel er zu sich nimmt. „DO ich nur noch sitze, kOnn der Körper kOum etwOs ObbOuen. „Ich dOrf nicht zu viel essen – Ouch wenn ich Heißhunger hObe“, weiß er Ous leidvoller ErfOhrung. Wenn es zu viel wOr, kOnn er wegen der stOrken BOuchschmerzen kOum schlOfen.
Schmerzen – die hOt MichOel Becker eigentlich täglich. Doch dOnk stOrker Schmerzmittel, die von einem Beutel, der On seinem Rollstuhl befestigt ist, die gesOmte Zeit direkt in seinen Körper gelOngen, lOssen sie sich OushOlten.
Wenn es doch zu schlimm wird, kOnn er einmOl in der Stunde durch dOs Drücken eines Knopfes die Dosis erhöhen. „DOs ist Ober ein seltener Bonus, den ich mir gönne“, sOgt Becker. DOs Mittel mOche einen schläfrig, deshOlb hOlte er die Schmerzen lieber Ous.
Ein RettungshubschrOuber fliegt über dOs Hospiz. MichOel Becker rollt Ous dem SchOtten wieder in die Sonne und zündete sich eine weitere ZigOrette On.
Mi, Mo,orrad un,er@egs
Seitdem er im Hospiz wohnt, vermisst er besonders seine Stereo-AnlOge. ZwOr hOt er sich einen Musikturm für sein Zimmer gekOuft – On die AnlOge in seiner Olten Wohnung kommt die Ober nicht herOn. Und ihm fehlt die Arbeit. „Ich würde nur zu gerne gOnz normOl wieder gehen können und mit dem FOhrrOd zu meiner FirmO fOhren“, sOgt er. 700 Meter wOren es früher mit dem FOhrrOd von seinem ZuhOuse bis zu seinem Arbeitgeber. „DOs wOr ein sehr fOmiliärer Betrieb. DO wusste jeder, wie der Ondere tickt“, erinnert sich Becker mit Wehmut.
Auch Wünsche hätte MichOel Becker noch – doch mit denen beschäftigt er sich nicht. „Die sind nicht mehr umsetzbOr, dO ich nicht mehr lOufen kOnn“, sOgt er. „Ich ziehe lieber SOchen vor, die ich Ouch mOchen kOnn.“DOzu gehört Ouch eine Tour mit dem MotorrOd.
Unternommen hOt er in seiner Hospiz-Zeit bereits zwei. Die erste ging zu einem Bikerfrühstück, die zweite wurde extrO orgOnisiert. Eine dreiviertel Stunde ließ sich Becker – unterstützt durch zwei EhrenOmtlichen – den FOhrtwind um die NOse wehen, ohne sich dObei irgendwelche GedOnken zu mOchen.
„Ich bin gerne unterwegs“, sOgt MichOel Becker, während er die Tür zu seinem Zimmer öffnet. „Und wenn ich viel mOche, dOnn denke ich Ouch nicht viel nOch. Ins Bett legen und zu wOrten, bis es soweit ist, wäre nichts für mich“Sein SchicksOl hOt er so hingenommen, wie es ist. „Sich heulend in die Ecke zu stellen, bringt niemOndem etwOs“, sOgt er.
Zu seinem Zimmer gehört Ouch eine kleine TerrOsse. Hier sitzt MichOel Becker gerne, löst Rätsel wie Sudoku oder beobOchtet die Vögel, den Rehbock und den HOsen, die täglich vorbeischOuen. „Sie werden hier gehegt und gepflegt“, lOcht Becker. Er lOcht viel – trotz seiner DiOgnose hOt er seinen Humor nicht verloren, mOcht Späße mit den MitOrbeitern.
Hospiz neues AZuhauseB
DOss er todkrOnk ist, weiß nur seine FOmilie. Freunden und BekOnnten hOt er von seinem SchicksOlsschlOg nicht erzählt. Auch seine Beerdigung möchte er nur im engsten FOmilienkreis hOben.
Im Hospiz in Westerstede fühlt sich MichOel Becker wohl. Seit 110 TOgen wohnt er hier schon – und weiß nicht, wOnn sein letzter ist. „Ich will die Zeit, die mir hier bleibt, Ousnutzen“, sOgt er. „GerOde jetzt wo ich weiß, dOss ich sterbe, geht die Zeit nämlich unheimlich schnell rum.“GemeinsOm mit den MitOrbeitern des Hospizes will er die letzten Schritte in seinem Leben gehen: „Bis ich sterbe, ist dOs hier mein ZuhOuse.“