Wo sich ein Gemälde ans andere reiht
Die Wanderung um den Manaslu in Nepal gilt als ruhige Alternati3e zur überlaufenen Annapurna-Runde. Eine neue Straße nach Tibet könnte das Idyll zerstören.
SOTI KHOLA Auf der Hängebrücke ist Rushhour. Eine Maultierkarawane nach der anderen trottet über das wackelige Metallgitter hoch über der Schlucht. Hinter ihnen zetern ihre Antreiber, schwingen die Peitsche. So ist es seit Jahrhunderten in diesem abgelegenen Tal Nepals an der Grenze zu Tibet. Aber bald könnten die Mulitreiber arbeitslos sein – und die kurze Blütezeit der Manaslu-Runde schon wieder enden.
Geheimtipp
Die Trekkingtour um den achthöchsten Berg der Welt wird noch immer als Geheimtipp gehandelt. Die Region wurde erst 1991 für ausländische Besucher geöffnet. „Damals waren hier nur sehr wenige Gruppen unterwegs“, erzählt Aung Phuri Sherpa. „Die gesamte Tour dauerte 27 Tage und war sehr teuer.“Sherpa war sein halbes Leben Wanderführer. Allein um den Manaslu ist der 57-Jährige mindestens zehnmal gewandert.
„Diese Straße gab es im vergangenen Jahr noch nicht“, sagt Sherpa, als wir im Dorf Soti Khola auf einer zerfurchten Erdpiste losgehen. Der Weg durch die Schlucht des Buri Gandaki ist ein uralter Handelspfad, auf ihm zogen früher die Yak-Karawanen mit Holz nach Tibet und kehrten mit Salz zurück. Auch die Gurung, die heute hier leben, kamen einst aus Tibet.
Vor rund zehn Jahren wurden die ersten Lodges entlang der Manaslu-Runde gebaut, seitdem habe die Zahl der Touristen konstant zugenommen, sagt Sherpa. Nepals Regierung plant, die Straße bis Samagaun zu verlängern. Die ersten fünf Etappen würden dann entlang einer Fernstraße
führen, über die Lastwagen rollen. Mit dem stillen Idyll wäre es vorbei.
Die ersten Etappen sind lang, aber extrem schön. Mal verengt sich die Schlucht zu einer Klamm, mal weitet sie sich zu einem Kessel. Wir wandern im Kiesbett neben dem wild schäumenden Fluss, queren Hängebrücken – und kommen jeden Abend erschöpft in einer Lodge an. Die bunt angepinselten Herbergen sind leicht zu finden. Auf heiße Duschen und WLAN sollte man eher nicht hoffen. Die Toilette ist oft nur ein
Loch im Betonboden.
Ein Manistein, ein vier Meter hoher Turm aus Steinplatten, markiert den Übergang zu den tibetisch geprägten Dörfern. Nach Namrung reiht sich ein Gemälde ans andere: Dörfer zwischen Gerstenfeldern, Steintore mit aufgemalten Augen, Gebetsfahnen, vergoldete Turmspitzen. Und in Lho ein Kloster auf einem Hügel über dem Dorf. Die Ribung Gompa wurde beim Erdbeben von 2015 beschädigt, alle 70 Mönche mussten in Kathmandu unterschlüpfen. Jetzt stehen rings um das Haupthaus neue Gebäude aus hellem Holz.
Am nächsten Morgen glüht der kantige, doppelt gehörnte Manaslu in einem wolkenlosen Himmel. 8163 Meter misst der „Berg der Seele“. Und rechts daneben leuchtet, fast ebenso erhaben, der Naike.
Unterhalb des Basislagers wandern wir weiter, vorbei an langen Mauern, Gebetsmühlen, Birkenwald und grasenden Yaks. Langsam spüren wir die Höhe, spätestens beim Anstieg nach Samdo auf 3860 Metern. Es ist das letzte Dorf vor dem Pass, das ganzjährig
bewohnt ist.
Es ist ausgebucht, und wir müssen uns zu dritt mit unseren Rucksäcken in ein fensterloses Zimmerchen quetschen. Durch die Ritzen der Bretterwand zieht der Wind. Sobald die Sonne hinter den Bergen abgetaucht ist, wird es kalt. So kalt, dass wir uns in die Schlafsäcke verkriechen.
Grandiose Ausblicke
Aber natürlich ist all das vergessen, als wir zwei Tage später am Zeltlager vor dem Pass ankommen, in einem grandiosen Amphitheater aus Fels und Eis. Larke Bazar heißt das Lager. Unter einem fantastischen Sternenhimmel steigen wir über eine Moräne auf. Lichtkegel von Stirnlampen flackern über Geröll und Felsen. Als wir einen Gletschersee passieren, färbt sich der Himmel rosa. Und langsam schälen sich die Eisriesen aus dem Nachthimmel. Gruppenfotos auf 5135 Metern Höhe, alle strahlen.
Über einen sanften Waldweg wandern wir um die Rückseite des Manaslu-Massivs, der Blick ist zum Weinen schön. Und das Hotel am letzten Abend hat tatsächlich: heißes Wasser. Ein Palast!