In die Wagenburg
Rein sportlich gibt der 2:1-Sieg gegen Schweden noch keinen genauen Aufschluss über die Leistungsstärke der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Russland. Sie war verbessert, sie war überlegen, sie hat glücklich, gleichwohl verdient gewonnen. Der Gegner war allerdings auch nur Schweden, ein biederes Team, das sich nur auf das Verteidigen beschränkte.
Wichtiger dürfte vielmehr sein, dass das späte Siegtor von Toni Kroos die Stimmung in der Mannschaft, in den Medien und im Land aufhellt. Die Kritik nach dem 0:1 gegen Mexiko war sehr heftig, teilweise überzogen. Die harschen Worte sind auch an den Weltmeistern nicht spurlos vorbeigegangen. Wer ihnen in den Interviews vor der Partie und nach dem Sieg zuhörte, konnte ein gehöriges Maß an Unverständnis für diesen Pessimismus vernehmen. Kroos mutmaßte sogar, dass sich viele Menschen in Deutschland über ein frühes Aus gefreut hätten.
Genau diese Konstellation ist auch eine Chance für die Mannschaft. Wenn die Spieler untereinander eine Art Wagenburg-Mentalität nach dem Motto „Denen zeigen wir es jetzt erst recht“entwickeln, kann sie dies zusammenschweißen und zu einem Teamgeist führen, der durch das Turnier trägt. Beim Titelgewinn vor vier Jahren in Brasilien galt das glückliche 2:1 nach Verlängerung im Achtelfinale gegen Algerien als Initialzündung. Ein völlig entkräfteter Per Mertesacker blaffte damals in seinem legendären Interview in Richtung des Reporters: „Was wollen sie? Wollen Sie eine erfolgreiche WM oder dass wir schön spielen und ausscheiden?“Schön gespielt hat die deutsche Mannschaft bisher sicher nicht. Aber zum ersten Mal erfolgreich. Und so könnte Kroos’ Kunstschuss später der Wendepunkt auf dem Weg zum fünften WM-Titel gewesen sein.
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