Zu wunderbaren Melodien reisen
„Comedian Harmonists” im Uferpalast des Staatstheaters
Der Spielfilm begeisterte schon – nun ist das Stück zum Berliner GesangsQuintett in Oldenburg zu sehen und zu hören. Dabei geht es nicht nur fröhlich zu.
OLDENBURG Dies ist ein bekömmlicher Nudelauflauf. Doch man verputzt ihn nicht so nebenbei. Dafür stecken in den letzten Bissen einige Bitterstoffe. Genau die geben der Inszenierung der „Comedian Harmonists” im ausverkauften Oldenburger Uferpalast – der zeitweiligen Ausweichspielstätte des Oldenburgischen Staatstheaters – aber eine ganz eigene Würze. Da bekommt die an Höhepunkten reiche Premiere zur Geschichte des legendären Berliner Gesangs-Quintetts ihren delikaten Geschmack.
1935 baut sich der Gauleiter vor den fünf Sängern und ihren Pianisten auf. Er teilt ihnen mit: „In Deutschland haben die Deutschen das Hausrecht!“Das ist das Ende der Formation. Drei Mann sind nicht als Arier anerkannt. Die lange verschworene Gemeinschaft löst sich im Streit auf.
Zu historisch verbürgten Szenen haben Autor Gottfried Greiffenhagen und Arrangeur Franz Wittenbrink ein 1997 uraufgeführtes Schauspiel mit Musik oder auch Singspiel verfasst. Es beginnt 1927 mit einer Anzeige in einer Berliner Zeitung. Da sucht der Chorsänger Harry Frommermann „Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit“.
Regisseur Felix Schrödinger erläutert in Oldenburg die Vorder- und Hintergründe der Comedians-Karriere mit sparsamsten Mitteln. Ein hoher Paravant überragt im Zirkuszelt des Uferpalastes die von Josefine Schmidt gestaltete Bühne. Er lässt sich als Raumteiler nutzen, als Flitter für große Arenen, ebenso als Projektionsfläche für eindringliche Schattenspiele, dazu ein Sofa, ein Grammofon, ein Telefon und ein Klavier.
Zwei Revue-Girls stehen für große Show. Dazu schlüpft Johannes Schumacher in fast ein Dutzend Rollen, etwa als Varieté-Direktor, Arbeitsloser, Hauswirtin, Kulissenschieber, Tänzer, SS-Mann. Es reicht, wenn die fünf Sänger und ihr Pianist die Tageszeitungen vor sich halten, um das Nahen des politischen Unheils anzukündigen. Andeutung und Direktheit sind ideal ausbalanciert. Falls das Theater-Rechnungswesen eine Rangliste zum Preis-Leistungsverhältnis von Inszenierungen führt:
Diese letzte Premiere der Spielzeit landet wohl ganz oben.
Doch es ist gerade diese kompakte äußere Einfachheit, über der sich Dichte und Intensität des Stückes ausbreiten. Es geht hier ja faszinierend um Körpersprache und Mimik. Es geht um kurze Wege zu wunderbaren Melodien voller Lebensfreude. Es geht um das Augenzwinkern hinter irrwitzigen oder nichtsnutzigen Texten und Verballhornungen. Diese Musik von „Veronika, der Lenz ist da”, über den „Kleinen grünen Kaktus” bis zur „Schönen Isabella” und der Einstellung auf Liebe „Von Kopf bis Fuß” verzaubert ohne äußerlichen Aufwand.
Nun steht dafür ein geradezu grandioser Klangkörper, im Wortsinn: Philipp Kapeller (als Ari Leschnikoff), Timo Schabel (Erich Collin), Paul Brady (Harry Frommermann), Stephen Foster (Roman Cycowski), Julian Popken (mit verblüffend virtuosem Flatterkinn als Robert Biberti) und Felix Pätzold (als Pianist Erwin Bootz und musikalischer Leiter). Die Oldenburger Nachkommen verdeutlichen gar nicht sparsam, warum die „Harmonists” ihr amerikanisches Vorbild „The Revelers” bei den sängerischen Grundlagen und der Verschmelzung von Seriosität und Lockerheit übertroffen haben.
Nach dem erzwungenen Ende stimmen die Oldenburger Harmonists das Volkslied „In einem kühlen Grunde” an, die Geschichte vom unaufhaltsam drehenden Mühlenrad und vom zerbrochenen Treue-Ring. Da wird der Beifall plötzlich ein anderer, da verliert er die vorherige Unbeschwertheit des Szenenapplauses. Doch keine Sorge. Am Ende erreicht der Enthusiasmus im Rund eine Wucht wie nicht weit weg beim Public Viewing zum fast zeitgleich fallenden deutschen Siegtor.
Ja, sind da nicht doch die echten „Comedian Harmonists” auf Zeitreise selbst mal hier?