Auf Suche nach dem Enddatum
Kommission tagt zum ersten Mal – Greenpeace-Aktion in Berlin
Die Regierungschefs der „Kohle-Länder“warnten vor einem Schnellausstieg. Dagegen drängen die Umweltverbände.
BERLIN – Es geht um Klimaschutz, Tausende Jobs und Strukturwandel: Die neue Kommission der Bundesregierung zum Kohleausstieg steht vor einer schwierigen Arbeit. Die Regierungschefs der Kohleländer NordrheinWestfalen und Sachsen sprachen zum Start des Gremiums am Dienstag von einer „nationalen Frage“. Sie warnten vor einem zu schnellen Ausstieg aus der Kohle. Dagegen wollen Umweltverbände möglichst bald schon erste klimaschädliche Kohlekraftwerke abschalten.
„Es wird eine riesengroße Herausforderung“, sagte der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck als einer der vier Vorsitzenden nach der ersten Sitzung der Kommission in Berlin. Das Gremium setzte zwei Arbeitsgruppen ein. Eine soll sich mit dem Strukturwandel in den Kohleregionen befassen, die andere damit, wie Klimaziele zu erreichen sind. Die nächste Sitzung des kompletten Gremiums ist am 13. Juli geplant. In der Kommission sitzen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft sowie von Umweltverbänden und Kommunen.
Der Auftakt habe deutlich gemacht, dass die Kommission
eine große Aufgabe vor sich habe – nämlich die Vereinbarkeit von ambitioniertem Klimaschutz und sozial abgefederter Strukturentwicklung, sagte Martin Kaiser, Greenpeace-Vertreter im Gremium. Die Kommission soll bis Ende des Jahres ein Datum für den Ausstieg aus der Stromgewinnung aus Kohle, einen Ausstiegspfad sowie Perspektiven für neue Jobs in den Kohleregionen vorschlagen. Außerdem geht es um
Maßnahmen, wie die Lücke zu deutschen Klimaschutzzielen 2020 geringer gehalten werden kann. Die Ergebnisse sollen 2019 in ein Klimaschutzgesetz fließen.
Allein in der Lausitz hängen bis zu 15 000 Arbeitsplätze an der Kohle, bundesweit sind es nach Branchenangaben 70000. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einer „riesengroßen Aufgabe“für die Kommission. Es gehe nicht nur um den Strukturwandel etwa in der Lausitz, sondern auch darum, dass Deutschland ein positives Beispiel in Europa geben könne. Zum Tempo des Kohleausstiegs meinte Woidke, der Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung habe rund 30 Jahre lang gedauert. Dagegen forderte Grünen-Chefin Annalena Baerbock schnelle Schritte für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung.
1as Land will Kommunen helfen, Fahrverbote zu vermeiden. 1afür gibt’s 100 Millionen.
FRAGE: Zerr Lies, Sie haben in Berlin andere Energieminis er ge roffen und an der ersen Si zung der Kohlekommission eilgenommen. Welche Signale sollen von den Treffen ausgehen? LIES: Die Energieminister aller Bundesländer P bis auf Sachsen P tagten erstmals auf meine Initiative hin. Denn wir können keine 16 Energiewenden in Deutschland machen, sondern nur eine gemeinsame. Wir haben uns darauf verständigt, ökologische Fragen nicht nur unter Energie- oder unter Verkehrsministern zu klären, sondern zusammen. Die Botschaft: Wir planen den engen Schulterschluss und werden bis zum Herbst entscheiden, ob daraus eine klassische Konferenz wird. Dabei wird natürlich die Frage der Arbeitsplätze eine besondere Rolle spielen. FRAGE: Es geh nich allein um ein Da um für den Kohleauss ieg? LIES: Nein! In dem Punkt sind sich alle einig: Das würde viel zu kurz greifen. Wir brauchen einen geregelten Obergang zu immer mehr CO2-freier Energie. Die Wege dorthin müssen wir öffnen. Was heute noch als Grundversorgung durch Kohle- und Gaskraftwerke geleistet wird, muss morgen durch Erneuerbare Energien geleistet werden. Trotzdem werden wir auch in Zukunft intelligente Kohle- und Gaskraftwerke benötigen. Es geht eben nicht darum, diese Technologie zu verurteilen, sondern fossile Energieträger zu nutzen als sinnvolle Ergänzung. Das ist ein Umdenken. FRAGE: Die künf ige Energieversorgung prak isch auf den Kopf s ellen? LIES: Ja, oder besser: Auf die Füße! FRAGE: Wie is die S immungslage in der Kohlekom-
mission – is man sich einig in dem Ziel, oder gib es noch große Differenzen? LIES: Ja, es gibt schon noch recht großen Streit. Schließlich sitzen am Tisch höchst unterschiedliche Partner und Organisationen: Von Umweltverbänden bis hin zur Industrie. Und in den Ländern selbst gibt es sehr starke Interessenunterschiede. Kohleländer
wie NRW und Brandenburg machen sich große Sorgen. Auch wir haben noch Kohlekraftwerke, obwohl wir längst auf einem anderen, erfolgreichen Pfad als Energieland Nummer 1 sind. Deshalb gibt es auch zwei Arbeitsgruppen: Wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze sowie Energiewirtschaft und Klimaziele. Die Ergebnisse sollen in der Gesamtkommission zusammengeführt werden. FRAGE: Dazu pass , dass Niedersachsen 100 Millionen Euro für ökologische +erkehrssys eme ausgeben will? LIES: Drei Aspekte sind wichtig: Von Fahrverboten bedrohten Städten wollen wir helfen, zügiger Maßnahmen zur besseren Luftreinhaltung umzusetzen, denn es darf in Niedersachsen keine Fahrverbote geben; zweitens: Busse im öffentlichen Nahverkehr müssen umgerüstet und die Stickstoffdioxid-Emissionen deutlich gesenkt werden; drittens: Eine nachhaltige Mobilität. Neben der Batterie-Elektrik setze ich sehr auf das Thema Wasserstoff. Beides kann uns gelingen. FRAGE: Aber die Zei dr0ng , Fahrverbo e können schon morgen drohen? LIES: Deshalb sind unsere Städte dabei, Luftreinhaltepläne zu erarbeiten. Und bei solchen Pläne können wir als Landesregierung die Kommunen unterstützen und nach Kräften begleiten.