Nordwest-Zeitung

Weß $,ipf zurück ins Leben

Ein Unfall veränderte das Leben von Marek Roscher. Das ist seine Geschichte.

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4o. F;.A BRUNNÉE

In seinem ersten Leben stemmte Marek Roscher jeden Tag Gewichte. Vor zwei Jahren veränderte ein Motorradun­fall alles – und sein zweites Leben begann.

OSTFRIESLA­ND Am 17. Juni 2016 endete das alte Leben von Marek Roscher. Mit seinem Motorrad knallte der Auricher gegen ein Auto. Die Meinung der Ärzte: Ein Wunder, dass er überlebte. Der Grund: Seine Muskelberg­e. Denn der Ostfriese stemmte in seinem alten Leben jeden Tag Gewichte. In seinem neuen Leben tut der mittlerwei­le 30-Jährige dies auch. Allerdings ohne linkes Bein und ohne linke Hüfte.

Es ist leichter zu sagen, welche Körperteil­e nach seinem Unfall unversehrt waren, als die Verletzung­en zu nennen. Sein rechter Oberschenk­el hat nur eine Muskelverl­etzung abbekommen, dort hat sich ein Wrackteil des Autos in sein Fleisch gebohrt. Sein rechter Arm, die Hand und der Fuß sind heil geblieben. Das war es dann aber auch.

Marek Roscher hatte –

schlimme Kopfverlet­zungen, sein linker Arm war zertrümmer­t und sein Bein war nicht mehr zu retten. Erst wurde es bis zum Oberschenk­el amputiert, nach einer Entzündung kam die Hüfte hinzu.

Monate im Koma

Von all dem weiß Marek nichts mehr. Er lag drei Monate lang im Koma. Ob er jemals wieder aufwachen würde, wusste damals niemand. Ein eigenständ­iges Leben lag in weiter Ferne. Doch Marek wachte wieder auf. Der erste Mensch, den er an seinem Krankenhau­sbett erkannte, war seine Tochter.

Nach und nach kehrten die Erinnerung­en zurück. An seine Eltern, an seine damalige Freundin. Nur der Unfall, der bleibt für Marek Roscher unerreichb­ar. Seine frühere Freundin beschrieb ihm die Situation so: Sie holte Marek von der Arbeit ab, gemeinsam wollten sie zu Freunden fahren. Marek hatte seinen Motorradfü­hrerschein noch nicht lange, zwei Wochen zuvor legte er die Prüfung ab.

Eine Landstraße. Schnurgera­de. Ihnen kommt ein Auto entgegen, die Freundin fährt vorbei. Und aus irgendeine­m Grund, schleudert es

Marek gegen das Auto. Warum, blieb auch bei der Gerichtsve­rhandlung unklar. Für Marek ist es nicht so wichtig, das Warum zu kennen. Ändern würde es nichts.

Der Kampf zurück in sein Leben begann. In ganz kleinen Schritten. Mit dem Bewegen der Finger. Mit dem Lernen zu sprechen. Irgendwann die ersten krakelig geschriebe­nen Wörter. Das Ziel war immer klar: „Ich will wieder gehen können“, sagte Marek. Doch der Weg dorthin ist lang. Und Mareks Körper gezeichnet von ihm.

Eine lange Narbe zieht sich über seinen Bauch. Weitere erstrecken sich über seinen Rücken, sein linker Arm ist deutlich weniger bemuskelt als der rechte. Dort wo seine Hüfte amputiert wurde, ist die Haut durchsetzt von Narbengewe­be.

Sport bleibt wichtig

Wie oft er operiert wurde, kann er gar nicht mehr rekapituli­eren. „In meinem linken Arm ist zum Beispiel alles voller Metall“, erzählt er. Anders wären seine zertrümmer­ten Knochen nicht zusammenge­wachsen. Sein Bizeps ist am linken Arm abgerissen – da hilft auch das Stemmen der schwersten Gewichte nicht mehr. Und doch: Seine Begeisteru­ng für den Sport im Fitnessstu­dio ist geblieben.

Im Sitzen sieht Marek aus, wie ein Bodybuilde­r, der mindestens 100 Kilogramm auf die Waage bringen müsste. Wenn er tatsächlic­h auf der Waage steht, zeigt sie 60 Kilogramm an. Ein Bein ist schwer.

Mittlerwei­le bringt Marek wieder ein paar Kilo mehr auf die Waage, denn er arbeitet daran mit seiner Prothese unabhängig­er vom Rollstuhl zu werden. Die wiegt allerdings trotzdem nicht so viel wie ein Bein. Sie ist deutlich leichter.

Das Bewegen mit ihr verlangt Marek viel Kraft ab nicht nur körperlich, sondern auch mental. Manchmal steht er zwei Minuten an einem Fleck und kommt nicht voran. „Das ist reine Kopfsache“, sagt er. Woher die Blockade kommt, kann er nicht erklären. „Irgendwann bin ich beim Üben auf einmal unsicher geworden und seitdem mache ich nur kleine Fortschrit­te.“Schwierig sind für ihn – vor allem nur mit Krücken – Treppenstu­fen.

Manchmal steht er bis zu zwei Minuten vor einer und traut sich nicht, sein Bein anzuheben und das Gewicht auf Geländer und Krücke zu verlagern.

Marek Roschers Fortschrit­te kommen nach und nach. Aber Fortschrit­te macht er. Sowohl im Laufen mit der Prothese, als auch im Bewegen mit Krücken. Eine Jacke anziehen geht zum Beispiel wieder im Stehen. Und das obwohl dies eine der schwierigs­ten Aufgaben für einen Einbeinige­n ist, sagen seine Physiother­apeuten.

Zweites Leben genießen

Autofahren darf er nun auch endlich wieder. Die Ärzte konnten keine bleibenden Schäden seiner Kopfverlet­zungen erkennen und ein Automatikw­agen ist für Marek kein Problem. Auch zur Arbeit geht er mittlerwei­le wieder. Angefangen hat er mit vier Stunden am Tag und steigerte sich langsam.

Ein weiterer Schritt zurück ins Leben – im wahrsten Sinne des Wortes, schließlic­h will Marek Roscher irgendwann wieder auf zwei Beinen durchs Büro gehen. Und mit seiner Tochter spielen.

Sein zweites und neues Leben in vollen Zügen genießen. Mit beiden Beinen fest auf dem Boden.

@ www.klarnordis­ch.de

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