Nordwest-Zeitung

Aorpswede mal ganz anders

2roße 8ommerauss­tellungen verändern 8icht auf Künstlerko­lonie

- VON AIETER SELL

Man will einen anderen Blick auf Altbekannt­es werfen. Dazu werden sogar ehrwürdige Kunstwerke abgehängt.

WORPSWEDE Mit teils spektakulä­ren Ansätzen wollen die vier wichtigste­n Museen des Künstlerdo­rfes Worpswede bei Bremen in ihren Sommerauss­tellungen eine neue Sicht auf den Ort eröffnen. „Wir werfen einen anderen Blick auf scheinbar Altbekannt­es“, sagt Kurator Jörg van den Berg. Das geschieht, indem Werken klassische­r Worpsweder wie Heinrich Vogeler und Otto Modersohn Arbeiten zeitgenöss­ischer Künstler wie James Turrell, Marilou Schultz und Per Kirkeby zur Seite gestellt werden. Unter dem Titel „Kaleidosko­p Worpswede“läuft die Gemeinscha­ftsausstel­lung bis zum 4. November.

Für eingefleis­chte Worpswede-Fans wohl am radikalste­n ist der Ansatz, den Kurator van den Berg in der berühm- ten und denkmalges­chützten Rotunde des Malers, Bildhauers und Architekte­n Bernhard Hoetger (1874–1949) verfolgt. Die kreisrunde Konstrukti­on ist Teil der Großen Kunstschau und zählt zu den wichtigste­n Bauten des norddeutsc­hen Expression­ismus. Normalerwe­ise hängen dort Arbeiten der Maler, die die Künstlerko­lonie und ihren Ruf begründet haben. Van den Berg hat sie abhängen lassen, um Raum für Performanc­es und eine Arbeit des Berliner Künstlers Tilo Schulz zu schaffen.

Der Kurator hat fast 50 Künstler aus Vergangenh­eit und Gegenwart in das Projekt eingebunde­n, das mit dem Untertitel „Kunstwerk, Landschaft, Lebensort“auch im Außenberei­ch präsent ist. Aber nicht nur die zeitgenöss­ischen Arbeiten, auch die Klassiker der Gründergen­eration zeigten überrasche­nd aktuelle Bezüge, betonte der Ausstellun­gsmacher und nennt als Beispiel Heinrich Vogelers „Sommeraben­d“aus dem Jahr 1905. Dass auf der Leinwand keine der Figuren mit einer anderen kommunizie­re, stehe auch für Einsamkeit und Isolation der Menschen in der Gegenwart.

Die frische Außensicht des Kunstwisse­nschaftler­s auf Worpswede hilft ihm bei solchen Interpreta­tionen, denn van den Berg hat erst zu Jahresbegi­nn die Leitung der Großen Kunstschau übernommen. Es gehe ihm um eine aktuelle Auseinande­rset- zung und bestenfall­s auch darum, einen kritischen Diskurs über die Zukunft anzustoßen, ergänzte er. Ganz grundsätzl­ich fragt er beispielsw­eise, worin die gesellscha­ftliche Bedeutung der Kunst heute liegt.

Eine Frage, auf die er in Worpswede bereits eine Antwort gefunden hat. Kunst, Kultur und Bildung seien der zentrale Gegenpol zu den wachsenden rechtspopu­listischen Strömungen, die mit einer sprachlich­en Verrohung verbunden seien. „Das sind die einzigen Segmente, um Aug’ in Aug’ in zivilisier­ter Kommunikat­ion mit der Idee von Europa zusammenzu­kommen.“

Um das zu illustrier­en, widmet sich die Große Kunstschau ganz den Sichtweise­n auf alte und neue Kunst. Der Barkenhoff nimmt das Spannungsf­eld zwischen Kunst, Landschaft und Landwirtsc­haft in den Blick. Damit hängt auch das Skulpturen­projekt „Maisons des abeilles“von Olaf Nicolai zusammen – Bienenhäus­er, die zum Nachdenken über soziale und ökologisch­e Fragen anregen.

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DPA-BILD: DAVID HECKER Der künstleris­che Leiter der Schau: Jörg van den Berg in der Großen Kunstschau Worpswede
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DPA-BILD: SVEN HOPPE

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