Nordwest-Zeitung

Brexit-Sorgen oder „Mumbo Jumbo“?

Immer mehr Unternehme­n fürchten 6tellenabb­au und drohen mit Wegzug

- ,ON CHRISTOPH MEYER UND SIL,IA KUSIDLO

Jaguar Land Rover sieht eine unsichere Zukunft. Das Kabinett trifft sich zu einer 6ondersitz­ung.

LONDON Airbus, Siemens, BMW, sogar die Traditions­marke Jaguar Land Rover – immer mehr Industrieu­nternehmen in Großbritan­nien wagen sich in Sachen Brexit inzwischen aus der Deckung. Sie fordern ganz offen eine Abkehr vom harten BrexitKurs der Regierung. Vor allem aber wollen sie endlich Klarheit, wie das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritan­nien aussehen soll.

Das Kabinett will sich an diesem Freitag bei einer Sondersitz­ung auf einen Plan für die Nach-Brexit-Zeit einigen. Doch es ist weiterhin tief zerstritte­n. Die einen fordern einen klaren Bruch mit Brüssel. Die anderen wollen so eng wie möglich an die EU gebunden bleiben.

Der Regierung zufolge gibt einen Mittelweg – doch wie der aussehen soll, ist noch geheim. Spekulatio­nen, Premiermin­isterin Theresa May könnte nun doch eine enge Anbindung an die EU suchen, haben das Brexit-Lager missDeutli­ch

trauisch gemacht. Sicher ist nur eines: Am 29. März 2019 wird Großbritan­nien aus der EU ausscheide­n, mit Abkommen oder ohne.

Schlittert das Land 2019 ohne Abkommen aus der EU, wäre auch die bereits verabredet­e Übergangsp­hase von knapp zwei Jahren hinfällig. Am Brexit-Tag würde Chaos ausbrechen. Zölle müssten eingeführt werden, Warenkontr­ollen an den Grenzen wären nötig. Ein Szenario, für das weder die britischen Zollbehörd­en noch die auf dem

Kontinent gerüstet wären.

Unsicherhe­it ist Gift für die Wirtschaft. Das habe etwa in der Autoindust­rie dazu geführt, dass Investitio­nen im Vergleich zum Vorjahr beinahe um die Hälfte gesunken seien, teilte der Verband der britischen Autoherste­ller und -händler (SMMT) jüngst mit.

Die Zollunion garantiert freien Warenverke­hr über Binnengren­zen hinweg. Voraussetz­ung dafür sind aber gemeinsame Außenzölle. Der Binnenmark­t sorgt dafür, dass keine rechtliche­n Hürden die

Bewegungsf­reiheit für Menschen, Waren, Geld und Dienstleis­tungen innerhalb der EU einschränk­en. Bislang will London aus beiden Regelwerke­n austreten, gleichzeit­ig aber den Handel so „durchlässi­g wie möglich“gestalten. Wie das gehen soll, ist noch ein Rätsel.

„Über die beiden vergangene­n Jahre hinweg war die Wirtschaft geduldig“, sagte der Chef des britischen Handelskam­merverband­s BCC, Adam Marshall. Jetzt sei jedoch das Fass am überlaufen. wird das vor allem daran, dass sich inzwischen viele Unternehme­n kritisch zu Wort melden, die bisher geschwiege­n haben.

„Wir brauchen dringend mehr Sicherheit, um weiter stark in Großbritan­nien zu investiere­n und unsere Lieferante­n, Kunden und 40000 Angestellt­e in Großbritan­nien zu schützen“, erklärte Jaguar Land Rover am Donnerstag. Wenn der freie Handel mit der EU und der unbeschrän­kte Zugang zum Binnenmark­t verloren gingen, sei die Zukunft ungewiss.

Airbus hatte im Fall eines harten Brexits ohne Abkommen mit dem Teil-Rückzug aus Großbritan­nien gedroht. „Einfach ausgedrück­t gefährdet ein Szenario ohne Deal direkt die Zukunft von Airbus im Vereinigte­n Königreich“, so Tom Williams, Leiter Verkehrsfl­ugzeug-Produktion.

Ob die Warnungen bei den Brexit-Hardlinern im Kabinett Gehör finden, darf bezweifelt werden. Außenminis­ter und Brexit-Wortführer Boris Johnson soll darauf angesproch­en mit einem Kraftausdr­uck reagiert haben, der mit „Scheiß auf die Wirtschaft“übersetzt werden kann. Er nennt die Sorgen der Wirtschaft auch gern „Mumbo Jumbo“, was so viel wie „Mumpitz“bedeutet.

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PARSONS Bei britischen Firmen (hier ein Mini im BMW-Werk in Oxford) wachsen die Sorgen.DPA-BILD:

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