Streit um Land(rzte immer sch(rfer
Ministerpräsident Weil (SPD) und Minister Thümler (CDU) über Kreuz
HANNOVER Das Thema besitzt alle Voraussetzungen als Sprengstoff für die rotschwarze Landesregierung: Landärzte in Niedersachsen. Ein vom Aussterben bedrohter Berufszweig. Von rund 14 600 Ärztinnen und Ärzte im ländlichen Raum gehen bis 2030 etwa 5000 Mediziner in den Ruhestand. Und kaum ein Medizinstudent will freiwillig nachrücken. Eine dramatische Entwicklung.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) drängt auf eine schnellstmögliche Lösung: „Wenn sich das nicht ändert in überschaubarer Zeit durch Anreizprogramme der Kassenärztlichen Vereinigung, werden wir eine LandarztQuote in der medizinischen Ausbildung in Niedersachsen einführen“, kündigt Weil unmissverständlich an. Weil denkt an zehn Prozent der Studienplätze. Sein Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) legt sich quer und sagt: Nein! „Zu erwarten, dass sich junge Menschen gleich zu Beginn ihres sechsjährigen Medizinstudiums L in der Regel ohne Praxiserfahrung L für zehn Jahre auf eine Fachrichtung und damit auf ein bestimmtes persönliches Umfeld festlegen, halte ich für fernab jeder Lebensrealität“, sagt Thümler dieser Zeitung. Befeuert wird dieser Streit um eine Landarzt-Quote durch den Städte- und Gemeindebund (Pro) und die Ärztekammer (Contra).
„Wenn wir im Bereich der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum nicht entschlossen handeln, steuern wir auf einen medizinischen Versorgungsnotstand zu“, warnt SPD-Fraktionschefin Johanne Modder im Gespräch mit dieser Zeitung und gibt damit dem Ministerpräsidenten Rückendeckung. „Es ist ein Gebot der Vernunft, alle denkbaren Instrumente zur Verbesserung der Versorgungslage zu nutzen“, wirbt Modder um ein Einlenken der Union: „Eine entsprechende Regelung in NRW zeigt, dass die Einführung einer solchen Quote über Parteigrenzen hinweg möglich wäre“.
Aber nicht mit Wissenschaftsminister Thümler. „Die Studierenden sollen sich freiwillig für eine Tätigkeit als Hausarzt auf dem Land entscheiden, indem entsprechende Anreize geschaffen werden. Viele wollen die Verantwortung in einer ländlichen Praxis nicht allein tragen“, stemmt sich der CDUPolitiker gegen jeden Quotengedanken L mit Unterstützung der Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker. „Eine Landarzt-Quote lehne ich entschieden ab. Sie ist ein schwerer Eingriff in die Berufsfreiheit“, kritisiert Wenker. Zudem bestehe die Gefahr, „dass sich die Betroffenen aus der Verpflichtung rauskaufen“, warnt die Verbandschefin. Stattdessen sei wichtig, 1500 zusätzliche Medizinstudienplätze zu schaffen. „Jetzt sofort“, fordert Wenker.
Der Städte- und Gemeindebund plädiert dafür, dass 7,5 Prozent der Medizinstudienplätze an künftige Hausärzte auf dem Land vergeben werden. Zusätzlich sei ein „Landarztzuschlag“denkbar.