Kerber und Görges au Spuren von Becker und Stich
Deutsche Spielerinnen kämpfen in Wimbledon um Finaleinzug – Federer ausgeschieden
WI BLEDON Die Aussicht auf das erste rein deutsche Wimbledon-Finale seit dem legendären Duell zwischen Boris Becker und Michael Stich im Jahr 1991 (Stich siegte damals in drei Sätzen) ließ irgendwann auch die sonst so nüchterne Julia Görges nicht mehr kalt. „Das klingt schon ziemlich cool. Das klingt verrückt“, sagte die 29-Jährige. Wie auch Angelique Kerber steht Görges im Halbfinale des prestigeträchtigsten Tennis-Turniers der Welt.
„Es wäre großartig für das deutsche Tennis“, meinte sie – auch wenn die letzte Hürde auf dem Weg dorthin wohl die größte ist. Denn die Aufgaben, vor denen das unterschiedliche deutsche Duo an diesem Donnerstag ab 14 Uhr steht, sind gewaltig. Kerber bekommt es bei dem Grand-Slam-Turnier mit der Lettin Jelena Ostapenko zu tun, der mutig aufspielenden French-Open-Siegerin des Vorjahres, die noch ohne Satzverlust ist. Görges trifft auf Serena Williams, die mit 23 Grand-Slam-Turniersiegen eine Bestmarke im Tennis hält. „Es ist eine Ehre, gegen sie auf dem Platz zu stehen“, sagte sie: „Trotzdem wird es ein Match wie jedes andere.“Eben jene nüchterne Klarheit hat Görges in Wimbledon sehr geholfen. Selbst als sie im Viertelfinale gegen ihre gute Freundin und Doppelpartnerin Kiki Bertens (Niederlande) den ersten Satz verlor, ging die Bad Oldesloerin distanziert auf Ursachenforschung und drehte die Partie. Das Ergebnis eines Reifeprozesses, den Görges in 13 Profijahren durchlaufen hat. „Ich glaube nicht, dass ich es in jüngeren Jahren so neutral analysiert hätte“, sagte sie.
Kerber, vor ihrem siebten Grand-Slam-Halbfinale längst Dauergast auf der großen Bühne, ist ein anderer Typ. Die Kielerin bezeichnet sich gerne als „emotionale Spielerin“, lässt sich auf dem Platz gerne mal von ihren Gefühlen mitreißen. Das funktioniert im Idealfall so wie im Viertelfinale gegen die Russin Daria Kassatkina, kann in anderen Situationen aber auch in eine Negativspirale münden.
Was die zweimalige GrandSlam-Siegerin in diesen Tagen aber offenbar beherrscht, ist das Ausblenden der äußeren Umstände. Die 30-Jährige betont, konsequent von Runde zu Runde zu denken, von Spiel zu Spiel, von Punkt zu Punkt. „Ich schaue weder links noch rechts“, sagt sie.
Der große Favorit Roger Federer ist im Viertelfinale überraschend gescheitert. Nach einer 2:0-Satzführung und einem vergebenen Matchball musste sich der 36jährige Schweizer am Mittwoch dem Südafrikaner Kevin Anderson mit 6:2, 7:6 (7:5), 5:7, 4:6, 11:13 geschlagen geben. Der an acht gesetzte Anderson nutzte seinen ersten Matchball gegen Federer, der mit acht Titeln Rekord-Gewinner in Wimbledon bei den Männern ist.