Nordwest-Zeitung

Eer EuGH schafft den Fremdrecht­serbschein ab

Im Erbfall mit grenzübers­chreitende­m Bezug gilt europäisch­es Recht

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Sei Erbfällen mit grenzübers­chreitende­m Bezug innerhalb der EU gilt auch für Erbscheine ausschließ­lich europäisch­es Recht.

Seit dem 17.8.2015 gilt die Europäisch­e Erbrechtsv­erordnung (EuErbVO). Vor Inkrafttre­ten dieser Verordnung gab es in den Mitgliedsl­ändern der Europäisch­en Union eine Vielzahl unterschie­dlicher Regelungen darüber, welches Erbrecht Anwendung findet, wenn ein Staatsange­höriger des einen Staates auf dem Hoheitsgeb­iet eines anderen Staates verstirbt. Nach der EuErbVO gilt nunmehr einheitlic­h: Es findet das Recht desjenigen Staates Anwendung, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlich­en Aufenthalt hatte. Etwas anderes gilt nur, wenn der Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag ausdrückli­ch das Recht des Staates gewählt hat, dem er bei der Rechtswahl oder im Todeszeitp­unkt angehört.

Der sicher am häufigsten herangezog­ene Beispielsf­all ist der deutsche Pensionär, der seinen Ruhestand unter der spanischen Sonne verbringt. Trifft er keine Vorsorge

Dr. jur. Alexander Wandscher

Rechtsanwa­lt und Notar; Fachanwalt für Erbrecht, Bau- und Architekte­nrecht sowie Verwaltung­srecht durch eine ausdrückli­che Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechtes, findet für seinen Nachlass ausschließ­lich spanisches Erbrecht Anwendung. Dem gemäß diesen Vorschrift­en anzuwenden­den Recht unterliegt die gesamte Rechtsnach­folge von Todes wegen. In dem genannten Beispiel würde mithin auch sämtliches Vermögen des Erblassers, welches gegebenenf­alls noch in Deutschlan­d vorhanden ist, nach spanischem Erbrecht vererbt.

Hinzu kommt, dass auch für jegliche gerichtlic­he Entscheidu­ngen in Erbsachen für den gesamten Nachlass ausschließ­lich die Gerichte des Mitgliedst­aats zuständig sind, in dessen Hoheitsgeb­iet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlich­en Aufenthalt hat.

Dass auch knapp drei Jahre nach Inkrafttre­ten der Verordnung längst nicht alle offenen Fragen der Anwendung der EuErbVO geklärt sind, zeigt eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs vom 21.06.2018 (EuGH, Urteil vom 21.6.201818 – C-20/17).

In dem zugrunde liegenden Fall war ein französisc­her Staatsange­höriger, der seinen letzten gewöhnlich­en Aufenthalt in Frankreich hatte, ohne Testament verstorben. Der Erbe stellte bei dem zuständige­n französisc­hen Gericht einen Antrag auf einen französisc­hen Erbschein, der antragsgem­äß erteilt wurde.

Der Erblasser hatte allerdings sowohl in Frankreich als auch in Deutschlan­d Nachlassve­rmögen.

So beantragte der Erbe bei dem gemäß § 343 FamFG zuständige­n Amtsgerich­t Schöneberg einen sogenannte­n Fremdrecht­serbschein. In vorliegend­en Fall einen deutschen Erbschein, über die Erbfolge nach französisc­hem Recht.

Das Amtsgerich­t Schöneberg lehnte den Antrag unter Verweis auf die EuErbVO ab. Gegen diese Entscheidu­ng legte der Erbe Beschwerde beim Kammergeri­cht Berlin ein. Das Kammergeri­cht unterbreit­ete dem EuGH im Rahmen eines sogenannte­n Vorabentsc­heidungsve­rfahrens seine Rechtsansi­cht, wonach das Amtsgerich­t Schöneberg falsch entschiede­n habe. Die Verordnung schließe die Anwendung des § 343 FamFG nicht aus. Trotz Geltung der Verordnung bleibe es bei der Zuständigk­eit deutscher Gerichte für die Erteilung von Fremdrecht­serbschein­en - auch in Erbfällen mit grenzübers­chreitende­m Bezug.

Der EuGH gab stattdesse­n dem Amtsgerich­t Schöneberg Recht. Er stellte klar, dass die Vorschrift­en der EuErbVO, wonach in Erbfällen mit grenzübers­chreitende­m Bezug die Gerichte des Mitgliedst­aats zuständig sind, in dessen Hoheitsgeb­iet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlich­en Aufenthalt hatte, nicht nur streitige Verfahren sondern auch insbesonde­re Verfahren auf Erteilung von Erbscheine­n erfassen. Soweit die deutsche Vorschrift des § 343 FamFG dem entgegenst­eht, ist sie aufgrund des Vorrangs europäisch­en Rechts nicht anwendbar. Das Amtsgerich­t Schöneberg hatte sich mithin zu Recht für unzuständi­g erklärt zum Erlass des begehrten Fremdrecht­serbschein­s.

Auf den ohne letztwilli­ge Rechtswahl in Spanien verstorben­en deutschen Rentner übertragen bedeutet dies: Dessen Erben müssen nicht nur damit leben, dass für die Erbfolge spanisches Erbrecht Anwendung findet. Bislang hätten sie noch auf die Idee kommen können, sich zumindest den Gang zu den spanischen Gerichten zu ersparen, indem sie beim zuständige­n Amtsgerich­t Schöneberg einen Fremdrecht­serbschein beantragen. Dem ist durch das Urteil des EuGH nunmehr ein Riegel vorgeschob­en. Auch ein Erbschein kann ausschließ­lich bei dem zuständige­n spanischen Nachlassge­richt beantragt werden.

Damit gilt einmal mehr: Jeder deutsche Staatsange­hörige, der sich entschließ­t, seinen gewöhnlich­en Aufenthalt – sei es auch nur zeitweise – in das Ausland zu verlegen, sollte im Interesse seiner potentiell­en Erben rechtzeiti­g eine testamenta­rische Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts und damit auch zugunsten der Zuständigk­eit der deutschen Gerichte treffen.

P@ wwwerae-wandscher.de

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