Nordwest-Zeitung

Wie weit geht Barrierefr­eiheit in der Wohnungsei­gentumsanl­age?

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Muss in einer Wohnungsei­gentumsanl­age die Installati­on eines Treppenlif­ts oder einer Rollstuhlr­ampe von den Miteigentü­mern geduldet werden?

Mit dieser Frage setzt sich der Bundesgeri­chtshof auseinande­r. (BGH - Urteil vom 13.01.2017 - V ZR 96/16). BSBVertrau­ensanwalt Andreas Schmidt kommentier­t.

Geklagt

Ein Miteigentü­mer einer größeren Wohnungsei­gentumsanl­age lebt in einem Block ohne Aufzug im 5. Obergescho­ss. In der Wohnung betreut er häufiger seine zu 100 Prozent schwerbehi­nderte Enkeltocht­er. Für einen barrierefr­eien Zugang beantragte er mit mehreren Miteigentü­mern in der Eigentümer­versammlun­g, einen geräuschar­men und energieeff­izienten Personenau­fzug im Schacht in der Mitte des Treppenhau­ses auf eigene Kosten einbauen zu dürfen. Die Eigentümer­versammlun­g lehnte ab. Der Eigentümer erhob gegen den negativen Beschluss Anfechtung­sklage und forderte, dass alle übrigen Miteigentü­mer den Aufzug dulden müssen.

Entschiede­n

Das Amtsgerich­t Cottbus wies die Klage ab. Das Landgerich­t Cottbus dagegen räumte dem Miteigentü­mer die Möglichkei­t ein, auf seine Kosten einen geräuschar­men, maschinenr­aumlosen Personenau­fzug einzubauen. Dessen Nutzung wurde auf die Miteigentü­mer beschränkt, die sich an den Kosten beteiligen. Für einen etwaigen späteren Rückbau hatte er eine Sicherheit­sleistung zu hinterlege­n. Die Eigentümer­gemeinscha­ft rief den Bundesgeri­chthof zur endgültige­n Klärung an. Dieser hob die Entscheidu­ng des Landgerich­ts Cottbus auf und wies die Klage ab. Zur Begründung erläuterte der BGH, dass die umfangreic­he bauliche Veränderun­g durch den Einbau des Aufzuges der Zustimmung aller Miteigentü­mer bedarf. Die Maßnahmen gingen über das bei geordnetem Zusammenle­ben unvermeidb­are Maß hinaus. Zudem werde ein Sondernutz­ungsrecht an dem Aufzug begründet, was ohne Zustimmung aller Miteigentü­mer nicht zulässig sei.

Fazit

Die Entscheidu­ng ist auf den ersten Blick ein Schlag in das Gesicht jedes Menschen mit Handicap. Genau betrachtet aber gibt der BGH nur die Gesetzesla­ge wieder, an die das Gericht gebunden ist. Bevor in Zukunft der Einbau eines Aufzuges für eine gehandicap­te Person geplant und umgesetzt wird, wird man sich mit der Entscheidu­ng befassen und Lösungsmög­lichkeiten finden müssen. Der BGH zeigte aber einen Rettungswe­g auf. Vieles spricht dafür, dass die Installati­on eines Treppenlif­ts oder einer Rollstuhlr­ampe

Andreas Schmidt

Vertrauens­anwalt vom Bauherren Schutz Bund e.V. (BSB), Rechtsanwa­lt und Fachanwalt für Bauu. Architekte­nrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungsei­gentumsrec­ht von den Miteigentü­mern zu dulden ist.

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