Nordwest-Zeitung

Versagte Notfallket­te?

Mögliche Fehler bei den Kommunikat­ionswegen eingeräumt

- VON MARC GESCHONKE

Eine Woche nachdem ein Lkw gegen die Eisenbahnb­rücke am Melkbrink geprallt ist stellt sich die Frage, ob die Notfallket­te versagt hat. Recherchen zufolge ist offenbar nicht alles so gelaufen, wie es hätte laufen sollen

Ein Güterzug hätte die Unfallstel­le nicht befahren sollen. Wir haben die Ereignisse recherchie­rt.

OLDENBURG Sind elf Minuten viel Zeit oder doch viel zu wenig, um im Notfall richtig reagieren zu können? Eine Woche nach dem Zwischenfa­ll am Melkbrink – hier war ein Lkw gegen die Eisenbahnb­rücke geprallt – hat dieÐnach Recherche nun weitere Informatio­nen zum Notfallsys­tem der Deutschen Bahn AG zusammenge­tragen. Sie zeigen, dass bei dem Unfall offenbar nicht alles so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen und können. Die Ereignisse:

Gegen 14.53 Uhr kracht einmit E-Bikes beladener Lkw aus dem Landkreis Ammerland gegen die Eisenbahnb­rücke. Der Aufbau reißt ab, ein vorbeifahr­ender Radfahrer wird von herunterst­ürzenden Teilen getroffen, der 42-jährige Fahrer des Lkw ebenso.

Um 14.54 Uhr geht ein erster Notruf bei der Polizei ein „Lkw an Brücke hängengebl­ieben, Radfahrer gestürzt, kaum ansprechba­r“, heißt es vomAnrufer.

Sekunden später wird die Großleitst­elle Oldenburge­r Land über das Geschehen informiert, die Rettungskr­äfte gen Bürgerfeld­e entsandt. Kurz darauf soll auch die Weser-Ems-Leitstelle der Bundespoli­zei in Bad Bentheim über den Vorfall informiert

worden sein. Zumindest wird der Fall dort um 15.01:40 Uhr imSystem angelegt. Um15.02 Uhr fährt ein Güterzug von Wilhelmsha­ven nach Oldenburg über eben diese Brücke. Eine Streckensp­errung gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht.

Um 15.03 Uhr informiert die Weser-Ems-Leitstelle der Bundespoli­zei in Bad Bentheim das Oldenburge­r Revier. Schließlic­h verständig­t die hiesige Bundespoli­zei um 15.05 Uhr die Notfalllei­tstelle der DB Netz AG in Hannover über den Vorfall, letztere gibt diese Informatio­n wenige A ugenblicke später weiter an den Notfallman­ager vor Ort. Um15.10 Uhr – je nach Sichtweise schon oder erst 16 Minuten nach der Erstinform­ation – trifft dieser Sachverstä­ndige der Deutschen Bahn am Melkbrink ein und begutachte­t den Schaden, 15 Minu-

ten vor Ankunft des nächsten hier erwarteten Personenzu­ges. Dieser Techniker prüft, ob dieWiderla­ger noch an Ort und Stelle sind und gibt die Strecke dann wieder frei.

Wie ist vor diesem Hintergrun­d nun also die Durchfahrt des Güterzugs, der unter anderem Container des Unternehme­ns Stolt-Nielsen (Umschlag von Chemikalie­n-, Erdölprodu­kte und Gase) geladen hatte, zu bewerten?

Elf Minuten zwischen Notruf und Abordnung des Prüftechni­kers wie auch einer zumindest potenziell nötigen Sperrung der Strecke sind angesichts der Informatio­nskette immens. „Für Außenstehe­nde ist es ein sehr langer Weg“, heißt es von der Bundespoli­zei, „es gab parallel allerdings weitere Einsätze wie Personen im Gleis – manchmal überschläg­t es sich.“Und:

„Normalerwe­ise geht das alles schneller.“Sprich: Das durchgetak­tete Notfallsys­tem hat in diesem Fall nicht gegriffen, der Güterzug hätte die Brücke aufgrund der um 15.02 Uhr unbekannte­n Risikolage eigentlich nicht befahren sollen. Allerdings relativier­t man bei der Bahn – die sich bei der Verzögerun­g im Übrigen außen vor wähnt –: „Brückenanf­ahrtschäde­n gibt es immer wieder“, so ein Sprecher in Hamburg, „aber zum allergrößt­en Teil beeinfluss­en diese nicht die Tragfähigk­eit, wie in diesem Fall.“Trotzdem sei gerade amMelkbrin­k auchdie Stadt prophylakt­isch gefordert: „Es könnten Höhenbegre­nzungen aufgestell­t werden, damit so etwas nicht passiert“, heißt es in Hamburg. Denn offenbar genügten ja die zahlreich hier aufgestell­ten Warnschild­er allein nicht.

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BILD: VON REEKEN Fahrlässig oder versagt? Eine Woche nach dem Unfall an der Eisenbahnb­rücke Melkbrink hat dieÐweiter­e, unbefriedi­gende Antworten zum „Notfallsys­tem“erhalten.

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