Nordwest-Zeitung

Immer mehr fahren auf Autokinos ab

Warum das Filmerlebn­is an der freien Luft bei den Deutschen so beliebt ist

- VON YURIKO WAHL-IMMEL

*ür viele hat das Autokino einen besonderen Charme. Und dazu gehört nicht nur das Fensterput­zen vor dem Film.

KÖLN Aus manchen Fenstern hängen Füße. Einige Türen sind geöffnet, die meisten geschlosse­n. Viele Pärchen haben es sich in den parkenden Wagen behaglich eingericht­et. Einige verbringen die Stunden aneinander­geschmiegt im offenen Cabrio. Es ist Sommer in Köln. Und am Rande der Stadt werden am späten Abend Spannung und Emotionen geboten. Open Air. Im Autokino, das wieder deutlich beliebter wird. Und das in vielerlei Hinsicht anders ist als andere Kinos.

Punkt eins: Wo sonst muss man vor dem Film Fenster putzen? Silas und Annika sind gerade dabei, wischen gründlich und ausgiebig die Windschutz­scheibe. Das junge Paar will die Reißzähne der Dinos von „Jurassic World“schließlic­h messerscha­rf sehen. Auch viele andere sind in der Abenddämme­rung so zu Gange. Die Autokennze­ichen zeigen, dass die Besucher auch von weiter her kommen: Bielefeld, Bonn, Euskirchen, Siegen oder Coesfeld.

„Das Autokino hat einen ganz besonderen Charme. Und man sitzt nicht mit irgendwelc­hen Unbekannte­n eng aufeinande­r“, sagt Willi (31) aus Jülich. Er freut sich über den lauen Abend, Bei Dunkelheit für viele ein besonderes Erlebnis: Besucher schauen von ihren Pkw – ob Cabrio oder Familien-Van – aus im Autokino in Köln-Porz einen Film.

kommt aber auch imWinter – dann mit Wolldecke. „Es ist auch viel intimer, man bleibt schön für sich im geschlosse­nen Wagen“, ergänzt seine Freundin Janina. Kein langer Lulatsch könne einem die Sicht versperren. Weiteres Plus: Die Lautstärke lasse sich nach Wunsch rauf und runter regeln. Bevor es losgeht, erscheint ein Hinweis, welche Frequenz man einschalte­n soll, um den Ton übers Autoradio zu empfangen.

Bundesweit gibt es laut Filmförder­ungsanstal­t 20 Autokinos – in Essen, Frankfurt, München, Stuttgart, Berlin, Leipzig oder auf Rügen. Auf manche Areale wie in

Köln-Porz passen mehr als 1000 Autos. Die Freiluftki­nos – eine US-amerikanis­che Erfindung aus den 1930er Jahren – sind zwar nur eine Nische in der Branche, aber mit einem stattliche­n Zuwachs, erläutert Alfred Holighaus, Präsident der Spio – Spitzenorg­anisation der Filmwirtsc­haft.

Uschi undHolger haben alles dabei: Tochter Jamie (11) und Freundin Glenda liegen schon im Familien-Van auf einer flauschige­n Decke im Kofferraum. Die Tür ist hochgeklap­pt, der Blick auf die XXL-Leinwand frei. Schokolade, Chips, Limo gibt es in rauen Mengen, Kuscheltie­re sind an Bord. Vater Holger

gibt zu bedenken: „Es ist als Familie nicht nur ein echtes Event, es ist noch dazu viel günstiger, weil wir alles zu Essen und Trinken mitbringen können.“

Seine Frau parkt neben ihm im Cabrio, drinnen der 14-jährige Sohn mit Kumpel. „Es quatscht doch im normalen Kino immer jemand dazwischen oder lacht an der falschen Stelle. Wenn du Pech hast, riecht dein Sitznachba­r auch noch streng. Hier ist es viel schöner“, findet Mutter Uschi. „Ist eine tolle Sache – nicht nur für Pärchen.“

Und nirgendwo sonst hat man so viel frische Luft und manchmal den Sternenhim- mel beim Filmgucken. Noch eine Besonderhe­it: Bei der Open-Air-Version sind auch Hunde erlaubt. Offenbar ist das gefragt, denn man sieht eine ganze Menge.

Mehr als eine Milliarde Euro Umsatz haben die Kinos 2017 nach Angaben der Filmförder­ungsanstal­t deutschlan­dweit mit gut 122 Millionen Besuchern erwirtscha­ftet. Der Anteil der Autokinos liegt unter einem Prozent. Aber immerhin 313 445 Besucher steuerten die stark vom Wetter abhängigen Open-Air-Kinos im vergangene­n Jahr an. Der Umsatz wuchs um 20,5 Prozent auf gut 2,6 Millionen Euro.

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DPA-BILD: KAISER
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Das Autokino wurde in den USA erfunden. Wer es besucht, sitzt nicht im plüschigen Kinosessel. Er thront auf dem Fahrersitz oder Beifahrers­itz seines Wagens. Es handelt sich um ein Freiluftki­no. Die Menschen kurbeln die Scheiben runter. Den Ton empfangen sie über ihr Autoradio. Es gibt eine große Leinwand.

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