Keine Freude am „KdF-Wagen“
Viele Deutsche sparten ab 1938 auf den Käfer-Vorgänger – Oldenburger hat noch Unterlagen
Der „Volkswagen“sollte die Massen motorisieren. Millionen wurden – staatlich organisiert – angespart. Doch keiner bekam bis 1945 sein Auto.
OLDENBURG Manfred Lahusen aus Oldenburg hat die zahlreiche Berichte zum 80-jährigen Jahrestag der Gründung des heutigen VW-Werkes und der heutigen Stadt Wolfsburg in diesem Jahr aufmerksam verfolgt. Was er dabei allerdings vermisste: Hunderttausende Deutsche sparten damals, staatlich organisiert, auf den angekündigten „KdF-Wagen“, quasi einen „Volkswagen“(die Marke gab es damals noch nicht). Auch Lahusens Vater hatte damals so eine „KdF-Wagen-Sparkarte“. Doch im neuen Werk wurde dann sogleich Kriegsausrüstung wie der berühmte Kübelwagen oder Rommels Befehlsfahrzeug produziert. Nur gut 600 zivile Modelle, von denen keines an private Halter ging, sollen gebaut worden sein, bevor das Deutsche Reich unterging. „Die KdF-Sparer, darunter mein Vater Wilhelm, guckten in die Röhre“, sagt Manfred Lahusen.
Fall fürGer ichtshof
Und hier sieht der Oldenburger Ruheständler auch gewisse Parallelen zur aktuellen Abgas-Affäre bei VW. Es gehe doch letztlich um „Betrug“, findet er. Auch damals mussten „KdF-Wagen“-Geschädigte dann im Nachkriegsdeutschland erst viele Jahre mit dem Unternehmen und anderen Stellen um ihr Recht streiten. Während Mitglieder aus der Porsche-Familie bald nach dem Neustart wieder eine Abgabe auf jeden produzierten „Käfer“(wie das Auto nun hieß) erhalten hätten, sahen die „KdF“-Sparer keine Spur vom versprochenes Auto, ärgert sich Lahusen (75) heute.
Erst Anfang der 60er Jahre wurde die Sache nach zahlreichen Verfahren hoch bis zum Bundesgerichtshof abschließend geregelt.
Die Sache mit dem „KdFWagen“wirft ein Licht auf ein besonders bizarres Kapitel der Massen-Motorisierung in Deutschland. Das Deutsche Reich galt auf diesem Gebiet gegenüber den USA, aber auch etwa Großbritannien oder Frankreich als weit rückständig, trotz der großen Erfolge im Rennsport. Das sollte sich ändern, mit einem „Volkswagen“im Wortsinne.
Der Oldenburger Lahusen hat interessantes OriginalMaterial zum „KdF-Wagen“aus dem Nachlass seines Vaters Wilhelm (verstorben 1975).
KdF steht für „Kraft durch Freude“– eine der damaligen, von Hitlers Partei NSDAP ge-
steuerten Massenorganisationen. KdF veröffentlichte um 1938 Werbematerial zu einem geplanten Massen-Auto, dessen Konstruktion maßgeblich auf Ferdinand Porsche zurückgeht. „Das hier ist so ein Original-Prospekt von 1938 oder 1939“, sagt Lahusen und blättert in seinen Unterlagen. Der „KdF-Wagen“sieht da vor verschiedensten fotografischen Hintergründen ganz schmuck aus. Klar wird: Er ist vom Design her praktisch der Ur-Käfer, und er sollte in tief
graublauer Einheitslackierung für jedermann erschwinglich sein. Das Gefährt wurde Sparern in Deutschland für knapp unter 1000 Reichsmark schmackhaft gemacht.
Viele Deutsche waren begeistert und sahen hier ihre Chance: Mit Mindestbeiträgen ab fünf Euro pro Woche sollte über die Jahre der Betrag für einen eigenen „KdFWagen“zusammenkommen. Dazu gab es eine eigene SparKarte, auf der jede eingezahlte Rate von Dienststellen quit- tiert wurde. Hunderttausende machtenmit, auch der Oldenburger Schornsteinfegermeister Wilhelm Lahusen.
Man hatte das Ziel vor Augen: „Nach Beginn der Produktion wird durch den zuständigen Gau eine Bestellziffer erteilt“, heißt es recht verbindlich in einem „Merkblatt“für Interessenten, das Manfred Lahusen ebenfalls noch vorliegt. Und dort steht, im Rückblick auf das Ende 1945 sonderbar anmutend: „Der Rücktritt vom Lieferungsauftrag des KdF-Wagens ist ausgeschlossen.“
Das hatte Wilhelm Lahusen aus Oldenburg, der sich nach einer Präsentation des „Volkswagens“am 16. Februar 1939 in Oldenburg eine Sparkarte besorgt hatte, seinerseits sicherlich auch gar nicht vor. Er hatte schon im August 1939, vor Kriegsbeginn, 810 Reichsmark angespart. Im März 1941 waren drei Klebemarken-Karten voll – und 1060 Euro zusammengekommen. Und damit war der „KdF-Wagen“mehr als komplett angezahlt.
Dies alles sei seinem Vater Wilhelm 1954 nochmals von der Stadt Oldenburg bestätigt worden, erzählt heute sein Sohn Manfred, während er das entsprechende Dokument aus der Mappe zieht. Damals gründete sich ein Verein der geschädigten KdF-Sparer. Denn nach dem Krieg verloren die Anrechtsscheine (etwa 280 Millionen Reichsmark von etwa 340000 Sparern) ihren Wert. Die einstige Liefer-Zusage hatte sich in Luft aufgelöst.
Nach dem Krieg lief die Produktion – unter Aufsicht der britischen Besatzer – bald wieder an. Familien wie Porsche kamen wieder zu gewissem Einfluss. Aus der „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“wurde kurz nach Kriegsende Wolfsburg, aus dem Unternehmen das Volkswagenwerk und aus dem Auto der „Käfer“. Die „KdF-Wa-
gen“-Sparer mussten dagegen noch jahrelang für ihre Entschädigung kämpfen.
Ab 1954 versuchten sie, ihre Ansprüche geltend zu machen. Ein „Hilfsverein ehemaliger Volkswagensparer“wurde gegründet, auch Wilhelm Lahusen aus Oldenburg trat bei.
Geld anderswo
Die Sache war unübersichtlich. Ein Grund: die unklare Rechtsnachfolge. Das Volkswagenwerk war selbst nie in Besitz der angesparten Gelder gelangt. Diese lagerten offenbar bei der untergegangenen „Bank der Deutschen Arbeit“.
Es gab diverse Prozesse. Diese Reihe wurde erst 1961 abgeschlossen. Die Volkswagenwerk AG bot den „KdFSparern“bei einem Neuwagenkauf einen Rabatt von bis zu 600 D-Mark an, was etwa einem Sechstel des Neuwagenpreises entsprochen haben soll. Alternativ gab es einen Bar-Betrag von bis zu 100 Mark.
Das Ganze habe sich, bis hinaus zum Bundesgerichtshof, doch sehr lange hingezogen, findet Manfred Lahusen heute. Weit mehr als ein Jahrzehnt, das sei doch irgendwie unbefriedigend, findet er und muss sogleich an die aktuellen Rechtsstreits rund um die Abgas-Äffäre denken.
Übrigens kaufte sich Wilhelm Lahusen, der für den „KdF-Wagen“gespart hatte, dann 1956 sein erstes Auto, größtenteils aus neuen Ersparnissen. Dreimal darf man raten, was es für ein Typ war.