Wenn ein Parlament baden geht
Bis zum 20. August arbeitet die Europäische Union auf Sparflamme
Das europäische Abgeordnetenhaus tagt doppelt so oft wie der Bundestag. Jetzt ist erst einmal Pause.
BRÜSSEL Wenn vor dem 21. Juli die belgische Luftwaffe einmal täglich im Tiefflug über Brüssel jagt, wissen die Belgier: Der Staatsfeiertag mit seiner Kopie der französischen Militärparade steht an. Für die 751 Abgeordneten des Europäischen Parlamentes ist das jedoch ein ganz anderes Signal: Die Sommerpause beginnt.
Mit Ausnahme eines Zugangs werden alle Eingänge des Gebäudes abgesperrt, das Licht in den Korridoren zur Energie-Ersparnis gelöscht und die Sicherheitsbeamten, die sonst jeden Besucher wie am Flughafen filzen, gehen in Urlaub. Damit auch nur ja niemand auf die Idee kommt, die europäische Volksvertretung in dieser Zeit zu belästigen, schrieb der Präsident des Plenums, Antonio Tajani, so-
gar im Vorjahr extra noch einen Brief an den Kollegen Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission, man möge doch bitte bis zum Ende der politischen Auszeit mit etwaigen Anfragen und Entscheidungsvorlagen „warten, bis das Parlament seine Arbeit wiederaufnimmt“– in diesem Jahr am 20. August.
Nun wird jeder Verständnis für ein bisschen Sommerfrische haben. Schließlich tagt das Abgeordnetenhaus der EU mehr als 40 Wochen im
Jahr – doppelt so häufig wie der Bundestag. Genügend Arbeit gibt es. Immerhin stehen – so ein internes Papier des Generalsekretariates des Parlaments – in den Monaten bis zum Ende der Legislaturperiode noch 649 Entscheidungen an. Darunter befinden sich 235, bei denen die Abgeordneten als Mitgesetzgeber fungieren, einige Dutzend, bei denen man nur beratend tätig wird. Dazu kommen 100 Initiativberichte. Von der Kommission werden 17 Vorschläge erwartet, 81 Haushaltsbeschlüsse sind fällig. In den Schubladen der Kommission warten 275 offene Verfahren auf die Überweisung an das Parlament. Darunter fallen so wichtige Gesetze wie das digitale Urheberrecht, der BrexitVertrag und die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Staats- und Regierungschefs möchten sogar noch den Haushalt für die Jahre ab 2021 unter Dach und Fach bringen.
Viel Zeit bleibt nicht, denn der Europawahlkampf 2019 wirft seine Schatten voraus: Zwischen dem 23. und 26. Mai (in Deutschland am 26. Mai) wird in den Mitgliedstaaten gewählt. Ab Herbst wollen die Parteienfamilien ihre Spitzenkandidaten finden. Aussichtsreiche Persönlichkeiten werden gerade überall gesucht.
Auch bei der EU-Kommission wird es leer. Zwar gibt es stets einen „Stalldienst“– bei den Kommissaren ebenso wie in den Kabinetten. Schließlich soll Europa reagieren können, falls etwas passiert. Das wünscht sich aber keiner. Die meisten sind froh, wenn sie mal ein paar Wochen relaxen können.