Lehrjahre im Zeichen der Digitalisierung
Azubis können „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“lernen – Experten fordern mehr Mut
Auch die Berufsausbildung bleibt vom digitalen Wandel nicht unberührt. Doch nicht allen gehen die Veränderungen schnell genug.
NÜRNBERG Die Digitalisierung hält immer schneller Einzug in die Ausbildungswelt. Azubis können sich ihre Arbeitsanweisungen mittlerweile aus der Cloud ziehen, Maschinen schon lange mit Tablets bedienen und in sozialen Netzwerken lernen. Und auch die Berufsbilder bleiben vom digitalen Wandel nicht unberührt. Doch nicht allen geht die Transformation von alter zu neuer Ausbildungswelt schnell genug.
Das neue Ausbildungsjahr beginnt zumindest schon ganz im Zeichen der Digitalisierung. Zum 1. August können sich junge Menschen bundesweit erstmals zum Onanwenden
line-Händler ausbilden lassen. „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“heißt das neue Angebot offiziell. Es soll eine Antwort auf den seit Langem boomenden Onlinehandel sein. Eine Antwort, die zehn Jahre zu spät kommt, kritisieren Experten denn auch – und wünschen sich mehr Schnelligkeit in Sachen Digitalisierung. Nichts anderes als die Zukunftsfähigkeit Deutschlands stehe auf dem Spiel.
„Die Ausbildung kommt nicht zehn Jahre zu spät, sondern
genau rechtzeitig“, sagt dagegen der Vizechef des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland, Martin Groß-Albenhausen. Weil sie Fachkräfte forme, die vielleicht das „nächste große Ding im Handel“umsetzen würden. „Wir haben einen Beruf geschaffen, bei dem wir am ersten Tag der Ausbildung jedem Azubi sagen, dass er am Ende der drei Ausbildungsjahre vermutlich einiges, was er in den ersten Monaten lernt, nicht mehr wird.“
Viele würden sich Gedanken nicht nur über Inhalte, sondern auch die Form der Ausbildung machen, sagt der Geschäftsführer der Corporate Learning + Change GmbH: „In den Rahmenlehrplänen müsste viel mehr das Thema ,Lernen lernen‘ verankert sein.“Die Zeit, in denen man einen einmal gelernten Beruf das ganze Leben auf die gleiche Art ausführe, sei lange vorbei.
Im Berufsschulunterricht müsse man auf neue Medien setzen, um Wissen zu vermitteln. „Also nicht jetzt anfangen, Bücher zu drucken, für Kaufleute für E-Commerce“, meint der Experte. Sondern moderne Lehr- und Lernmethoden einsetzen wie WebSeminare oder soziale Netzwerke. „Darauf setzen auch immer mehr Unternehmen, weil sie sehen, dass die neue Ausbildungs-Generation mit solchen Dingen aufwächst.“
Warum dies also nicht nutzbar machen? „Wieso nicht statt drei Ausbildungsjahren 36 Level einführen angelehnt an Computerspiele?“Schnelle Erfolgserlebnisse – das hätten Studien gezeigt – seien echte MotivationsBooster für junge Menschen. Doch schon bei Ausbildern würde man mit solchen Vorschlägen oft auf Granit beißen.
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) ist seit März ein wichtiges Gesicht der deutschen Netzpolitik. „Als Computerspiel-Fan bin ich natürlich offen dafür, statt drei Jahren Lehre 36 Level einzuführen, aber letztendlich überlasse ich so etwas den Fachdidaktikern“, meint sie.
Die Geschwindigkeit des Wandels nehme immer mehr zu. „Manche Tätigkeiten innerhalb von Berufsbildern werden obsolet, andere gewinnen an Gewicht“, sagt Bär. Inhalte der Berufsausbildung müssten deshalb schneller aktualisiert werden – „und zwar nicht nur in digitalen, sondern in allen Berufsbildern“.