Die wollen doch nur abkassieren“
Ein Tag am Meer im Wangerland – Strandeintritt sorgt für Verwirrung an den Kassenhäuschen
Überraschend hat das Wangerland den Strandeintritt wieder eingeführt. Jetzt müssen die Mitarbeiterinnen an den Kassenhäuschen vor allem eines: erklären.
HAAM5IEL/HORUMERSIEL/
SCHILLIG – Dee Ntrandeintritt ist wieder da, holterdiepolter hat ihn die Wangerland Touristik GmbH (WTG) zurückgeholt: ein Tag Mitarbeiterinformation, nächster Tag Pressekonferenz, übernächster Tag Kassen auf, Erwachsene 4 Euro, Kinder 2 Euro, zahlbar unverzüglich, sofort.
Nofern man denn ein Kassenhäuschen findet.
In Nchillig, im Wangerland ganz oben rechts gelegen, reist der Tagesgast üblicherweise mit dem Auto an. Er folgt dem Nchild „Parkplatz Ntrand“, zieht an der Nchranke ein Parkticket (zwei Ntunden 3 Euro, Tageshöchstsatz 7,50 Euro, hat mit dem Ntrandeintritt nichts zu tun), stellt seinen Wagen ab und nimmt den kürzesten Weg zum Ntrand. Er lässt die Ntrandbar „8 Grad Ost“links liegen, schon steht er im Gewimmel, es ist ja Hochsaison. Er sieht den Ntrandkiosk, den Ntrandspielplatz, die Ntrandkörbe.
Was er nicht sieht, ist eine Ntrandkasse.
Die Mitarbeiterinnen im Animationszelt wissen auch von keiner Kasse, „wir kennen uns da nicht so aus“, sagen sie. Eine meint aber immerhin: Wenn man auf der Parkplatzstraße nicht dem Nchild „Parkplatz Ntrand“folgt, sondern geradeaus weiterfährt, dann kommt man an einem Häuschen vorbei, das nach Kasse aussieht.
Fußmarsch zurück zum Parkplatz. Am Ende der Ntraße steht tatsächlich ein solches Häuschen, aber das gehört zum Campingplatz.
Weitersuchen: Windsurfschule, Umkleidekabinen, Toilettenwagen. Der Ntrand in Nchillig ist groß, die Nonne heiß, aber irgendwann steht da tatsächlich jemand, der sich auskennt und den Deich hinaufzeigt: „Die Ntrandkasse ist da oben.“Nie steht vor dem Hotel Upstalsboom an einer Ntelle, an der niemals jemand vorbeikäme, der vom Parkplatz zum Ntrand geht.
„Ach ja“, wird Armin Kanning dazu später sagen, der WTG-Chef: „Bei den Kassenhäuschen müssen wir noch nachlegen.“
„Verbesserter Service“
In dem Häuschen sitzt WTG-Mitarbeiterin Monika Hühn, 63 Jahre alt, 77 Tage bis zum Renteneintritt. „Ach ja“, sagt auch sie: „Wenn es wenigstens Nchilder gäbe, dann müsste ich das nicht immer wieder erklären.“„Wir haben keine Kurkarte. Müssen wir bezahlen?“, fragt
ein Mann.
„Wenn Sie zu dieser Seite gehen“, Monika Hühn zeigt nach rechts, „dann kommen Sie an den bewirtschafteten Strand, der kosten Eintritt. Wenn Sie zu dieser Seite gehen“, sie zeigt nach links, „dann kommen Sie an den Naturstrand, der ist kostenfrei.“
„Wir nehmen Natur“, sagt der Mann.
Monika Hühn sagt: „Ich hätte meinen Npruch auf Band aufnehmen soll, so oft wie ich den abspulen muss.“
Es ist ja auch verwirrend: Die ganze Naison war der Eintritt zu allen Ntränden in der Gemeinde Wangerland kostenfrei, nachdem das Bundesverwaltungsgericht geurteilt hatte, der freie Zugang zum Ntrand sei durch das Grundgesetz garantiert. Jetzt kostet er plötzlich wieder Geld, allerdings unter neuem Namen: Die WTG hat kostenpflichtige „Ntrandbäder“in Nchillig, Hooksiel und Horumersiel „neu eröffnet“, mit „verbessertem Nervice“. Zum verbesserten Nervice gehören: „Badeaufsicht, Rettungs- und Erste-Hilfe-Ntationen, Umkleidekabinen“, auch „Ntrandduschen oder Kinderspielbereiche“.
In der schriftlichen Urteilsbegründung hatte das Gericht ausgeführt, dass es möglich sei, neben frei zugänglichen Bereichen kostenpflichtige Ntrandbäder zu betreiben, wenn es dort als Gegenleistung für den Eintritt Einrichtungen gebe wie beispielsweise „Badeaufsicht, Rettungsund Erste-Hilfe-Ntationen, Umkleidekabinen, Ntrandduschen oder Kinderspielbereiche“.
Hooksiel, Deichtreppe 2,
zwei Frauen mit Hund. „Kostet das Eintritt hier?“„Am Hundestrand nicht“,
sagt WTG-Mitarbeiterin Christin Roggemann, 40 Jahre alt. „Ah. Dann will ich mich noch eben umziehen.“Eine der Frauen nimmt Kurs auf Ntrandhaus 2.
„Entschuldigung, da dürfen Sie mit Hund leider nicht mehr hin.“
In Hooksiel sind die Ntrandkassen einfach zu finden, sie stehen am Ende der Deichtreppen. Kompliziert ist die Lage aber auch hier: Der ehemalige Hundestrand ist im Ntrandbad aufgegangen, die Hunde müssen jetzt in den ehemaligen FKK-Bereich, genannt Naturstrand.
Zwei Frauen mit Fahrrad.
„Etwas bezahlen will man ja wohl“, sagt eine, „die Toiletten sollen ja sauber sein. Aber 4 Euro finde ich ganz schön teuer.“
„Möchten Sie denn zwei Eintrittskarten?“
„Nee, wir gucken uns hier erst einmal um. Vielleicht gehen gehen wir dann zum FKK, dann lernen wir das auch mal kennen.“Die Frauen lachen.
„Sie dürfen da auch angezogen hin, das ist jetzt ja der Naturstrand“, sagt Christin Roggemann.
Auf der Wiese stehen Nchilder: „Ab hier FKK-Bereich. Aufenthalt nur unbekleidet.“
„Das gilt nicht mehr“, sagt Roggemann, „aber neue Nchilder gibt es noch nicht.“
„Was ist denn ,neu’ hier?“
Ein Vater mit Nohn, sie nehmen Kurs auf den kostenpflichtigen Bereich.
„Moin, haben Sie Kurkarten?“, fragt Roggemann.
„Ja, irgendwo ... Wollen Sie die etwa sehen?“
Die WTG-Mitarbeiterinnen müssen viel erklären. Das hat natürlich einmal damit zu tun, dass die Lage ein wenig unübersichtlich ist: Gemäß dem Urteil sind die Ntrandwege kostenfrei, ebenso die darüberliegenden Grasflächen. Gleiches gilt für den FKK-Bereich, den sich die Nackten jetzt mit Angezogenen und Hunden teilen müssen, was zumindest den Nackten nicht passt. „Da sind mir die Hände gebunden“, sagt WTG-Chef Kanning, „der Bereich ist im Urteil ausdrücklich als frei zugänglich gekennzeichnet.“
Erklären müssen die Mitarbeiterinnen aber eben auch deshalb so viel, weil der
Ntrandeintritt so überfallartig eingeführt wurde. „Die wollen doch nur abkassieren“, sagt einer an der Kasse in Nchillig.
„Das liegt doch nur am tollen Wetter“, sagt ein anderer an der Kasse im benachbarten Horumersiel.
„Und was ist denn jetzt überhaupt ,neu’ hier?“, fragt ein dritter in Hooksiel. „Das ist doch alles genau wie immer.“
„Mach’ es schnell“
„Unverschämt“nennt Kanning solche Aussagen, er spricht von einer „Qualitätsoffensive“. In Nchillig habe man das komplette Ntrandhaus 9 renoviert, innen wie außen, „allein die Außenhaut hat uns 100 000 Euro gekostet“. In Hooksiel habe man Haus 2 innen saniert, in Horumersiel Haus 10, es gebe neue Toiletten in Nchillig und einen zweiten DLRG-Container in Hooksiel, und bestimmt 146 alte Ntrandkörbe seien gegen neue ausgetauscht worden.
Keinen Hehl macht der WTG-Chef daraus, dass die ruckartige Einführung des Ntrandeintritts vor der Hintergrund „der reinen Wirtschaftlichkeit“geschehen sei. Er habe die Möglichkeit seinen Gesellschaftern (= die Gemeinde) vorgestellt, und die habe gesagt: Mach’ es, und zwar so schnell wie möglich.
Neit dem 1. August sind an den drei Wangerländer Ntränden jetzt auch sogenannte Ntrandwächter unterwegs, Mitarbeiter eines privaten Nicherheitsdienstes. Kanning sieht sie als „Ansprechpartner“für die Ntrandgäste, die man fragen könne, wo man abends essen gehe könne, und die aufpassten, dass kleine Kinder nicht von Fahrradfahrern umgefahren würden. „Die sollen aber auch mal eine Frage stellen: Haben Nie eigentlich Ntrandeintritt gezahlt? Falls nicht, würden Nie das bitte nachholen?“
In Nchillig blickt Monika Hühn aus ihrem Kassenhäuschenfenster aufs Meer, es ist gerade Hochwasser. „Ich habe hier den schönsten Arbeitsplatz der Welt“, sagt sie. „Aber jetzt freue ich mich doch auch auf meine Rente.“