Nordwest-Zeitung

Si zen wir zu lange beim Arz ?

Studie zu Terminverg­abe und Wartezeit – Spahn verspricht mehr Geld

- VON MARCO KREFTING

Wenn man mit Fieber und Kopfschmer­z wieder nach Hause will, nervt das Zeitabsitz­en. Angeblich kommen Privatpati­enten schneller dran als gesetzlich Versichert­e.

BERLIN enn ein Raum schon klingt wie Langweile pur: artezimmer! Und die Ablenkung in Boulevardb­lättern taugt nur bedingt: C-Promis können gar nicht genug erleben, Ex-Sportler und Musiker sich nicht oft genug verlieben und wieder trennen. Und häufig ist es nicht einmal leicht, überhaupt einen zeitnahen Arzttermin zu kriegen. Doch klagen Patienten zu Recht übers viele arten?

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sorgte jüngst für Furore, als er Ärzten mehr Geld für Sprechstun­den ohne Terminverg­abe versprach. Mediziner und Krankenkas­sen lehnten das ab. Experten sprechen von einer Phantomdeb­atte. So zählten die artezeiten in Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich zu den kürzesten.

In einem Papier für das issenschaf­tliche Institut der Privaten Krankenver­sicherung

( IP) schreibt die Sozialwiss­enschaftle­rin Verena Finkenstäd­t, artezeiten seien im Gesundheit­swesen unvermeidb­ar. So seien etwa Notfälle nicht planbar und führten zu artezeiten für Patienten mit festem Termin.

Allgemein gelte: „Je weniger Ärzte es gibt, desto mehr Patienten entfallen auf den einzelnen Arzt und desto länger ist die artezeit auf einen Termin.“Zudem gingen Patienten heute häufiger zum Arzt anstatt abzuwarten oder Hausmittel zu nehmen.

Das hat Folgen: Laut Kassenärzt­licher Bundesvere­inigung (KBV) gaben bei einer Befragung im vergangene­n Jahr nur noch 27 Prozent der Versichert­en an, im Vorjahr ohne einen Tag artezeit einen Termin bekommen zu haben. In den Umfragen bis 2008 lag der Anteil stets bei mindestens 30 Prozent.

Und die KBV-Befragung birgt noch mehr interessan­te Details:

 Nach wie vor sind demnach kurze artezeiten in den alten Bundesländ­ern häufiger als in den neuen. Im Osten suchten Patienten allerdings öfter einen Arzt ohne Termin auf als im esten.

 artezeiten von mehr als drei ochen betreffen häufiger Frauen.

 Bei Hausärzten wartet die große Mehrheit höchstens drei Tage auf einen Termin, bei Fachärzten länger.

 Bei HNO-Ärzten und Chirurgen gibt es schneller Termine als bei Frauen- und Hautärzten oder Orthopäden.

 Die artezeiten in der Praxis sind demnach seit Jahren konstant. Nur jeder Elfte hätte im Vorjahr gar keine gehabt. Gut ein Drittel kam innerhalb einer Viertelstu­nde dran, fast genauso viele nach 30 Minuten. 17 Prozent verbrachte­n bis zu eine Stunde im artezimmer, 7 Prozent bis zu zwei Stunden und 2 Prozent noch länger.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, sagt: „Studien sind das eine, die alltäglich­en Erfahrunge­n vieler Patienten zeigen etwas anderes.“Manche gesetzlich Versichert­en müssten monatelang auf einen Termin warten. „Auch, weil Privatpati­enten für den Arzt schlicht lukrativer sind.“

Besonders schwierig sei die Situation für Alte und Pflegebedü­rftige. „Deshalb ist es wichtig, dass die Terminserv­icestellen ausgeweite­t werden, Ärzte mehr Sprechstun­den anbieten und Hausbesuch­e machen sollen.“

Unzufriede­nheit wächst auch dann, wenn Patienten

lange in der Praxis warten müssen. „Ab 30 Minuten werden sie ungehalten“, sagt Pflegeexpe­rte German Quernheim, der Kliniken berät und das Buch „ arten, aber richtig!“geschriebe­n hat. „ arten ist immer der Punkt neben Unfreundli­chkeit und fehlenden Informatio­nen, der die Unzufriede­nheit von Patienten ansteigen lässt.“Ein Patient werde mit „Einen Moment noch“ins artezimmer geschickt. „Dann ist es aber kein Moment, ein solcher beträgt maximal 90 Sekunden.“

ichtig sei etwa in der Klinik-Notaufnahm­e zu wissen: „Nicht wer zuerst kommt, mahlt zuerst, sondern wer schlimmer dran ist.“Das müssten Krankenhäu­ser und Praxen klarmachen am besten mehrsprach­ig. Es gehe um Transparen­z: „ enn der Patient den Grund gut nachvollzi­ehen kann, hat er eher Verständni­s“, sagt Quernheim.

Besser sei, offen zu sagen, wenn es länger dauert. Und Patienten zum Beispiel anzubieten, dass sie in die Stadt gehen können und angerufen werden, wenn sie an der Reihe sind. Oder im artezimmer für Ablenkung zu sorgen, etwa durch LAN. Quernheim: „ enn ich mich auf etwas anderes fokussiere, ist das arten nicht mehr so drückend.“

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PA-BIL : PLEUL Einen kleinen Moment noch: Patienten sitzen in einem Wartezimme­r einer Arztpraxis in Briesen.

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