Bezos leistet sich Experimente
Amazon-Chef übernahm vor fünf Jahren altehrwürdige „Washington Post“
Am 5. August 2013 gab die „Washington Post“ihren Mega-Deal mit einem der reichsten Männer der Welt bekannt: Der Gründer des Internetriesen Amazon, Jeff Bezos, übernahm für 250 Millionen US-Dollar das Hauptstadtblatt mit sinkendem Umsatz und sinkender Auflage.
Inzwischen ist die „Post“nach eigenen Angaben wieder profitabel, die Reichweite im Netz steigt, und US-Präsident Donald Trump ärgert sich über Enthüllungsartikel. „Democracy Dies in Darkness“(Die Demokratie stirbt in der Finsternis) lautet seit dem vergangenen Jahr das Motto der „Post“. Nur die Rivalin „New York Times“hat seit 2013 mehr der begehrten Pulitzer-Journalismuspreise gewonnen.
Bezos hat die „Post“als Privatmann übernommen, sein Amazon-Imperium war bei dem Deal offiziell außen vor. Mitarbeiter des Traditionsblattes hören Sticheleien, wie kürzlich bei einem Medienkongress in Washington: Dank eines so schwerreichen Eigentümer könne doch jeder eine gute Zeitung machen. Mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar führt der 54Jährige in diesem Jahr erstmals die vom „Forbes“-Magazin erstellte weltweite Rangliste der reichsten Menschen Reichster Mensch der Welt: „Washington Post“-Besitzer und Amazon-Gründer Jeff Bezos
der Welt an. Beinahe die Hälfte des Online-Verkaufsgeschäfts in den USA läuft heute über Amazon, wie der Wirtschaftsinformationsdienst „eMarketer.com“ermittelte.
Doch Bezos habe nicht nur Geld gebracht, sondern auch eine „nach vorn orientierte Haltung“, lobt Journalismusprofessor Dan Kennedy, Autor einer Studie über den „BezosEffekt“. Der Unternehmer setze neue Technologien gezielt ein und habe die Redaktion vergrößert. Bezos experimentiere und überzeuge Leser, für die „Post“auch im Netz zu bezahlen.
Doch dieser Erfolg lasse sich nur begrenzt übertragen, glaubt Kennedy. Die „Post“sei als US-Hauptstadtzeitung ein geografischer Sonderfall
mit potenziell weltweiter Leserschaft. Mit Bezos sei sie von einer regionalen Zeitung zu einer nationalen und schließlich internationalen digitalen Nachrichtenquelle geworden. Die Website der „Post“hatte im Juni nach eigenen Angaben 80,8 Millionen Besucher, sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die mobile Leserschaft sei um fünf Prozent auf 5,5 Millionen gestiegen.
Freddy Kunkle schreibt in der „Post“über Verkehr, bei Tarifverhandlungen sitzt er für die Gewerkschaft „News Guild“mit am Tisch. Die meisten Kolleginnen und Kollegen seien „extrem dankbar“, dass Bezos die Zeitung gekauft habe, sagt Kunkle. Man arbeite gerne für die „Post“. Doch bei der im Juni beendeten Tarifrunde sei die „Post“Führung „vielleicht mehr als jemals zuvor in jüngster Zeit mit aggressiver Haltung“aufgetreten, kommentierte die „News Guild“.
In der Bezos-Ära ist das Traditionsblatt zum Technologieunternehmen geworden. Die „Post“entwickelt Dienstleistungen für andere Medienhäuser, etwa das Redaktionssystem „Arc Publishing“, das auch international vermarktet wird.
Doch kann die „Post“wirklich neutral über Amazon berichten Der Internetkonzern liegt mit Gewerkschaften im Dauerclinch und verwaltet Daten für den US-Geheimdienst CIA. Chefredakteur Marty Baron betont immer wieder, Bezos mische sich in redaktionelle Entscheidungen nicht ein. Auch Bezos selbst hat bekräftigt, die Unabhängigkeit der Zeitung zu schätzen. Donald Trump dagegen griff die „Post“in der vergangenen Woche als „The Amazon Washington Post“an.
ber die Motive, mit denen Bezos die Zeitung vor fünf Jahren gekauft hat, wird spekuliert. Der Amazon-Gründer sagte damals, es werde Veränderungen geben. Doch die Werte der „Post“müssten nicht verändert werden, denn Journalismus spiele eine entscheidende Rolle in einer freien Gesellschaft. Dafür erntete Bezos viel Beifall.