Testfall Volkswagen
Volkswagen schreibt wieder Rekordgewinne. Doch rechte Freude kommt nicht auf – weder bei Kunden noch bei Anlegern oder Mitarbeitern. Der Dieselskandal sitzt VW auch drei Jahre nach Auffliegen im Nacken. Auf 27 Milliarden Euro belaufen sich nunmehr die Rückstellungen für den Skandal. Das dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Rund 17 000 Einzelklagen von VWBesitzern sind weiterhin anhängig. Sie fordern Schadenersatz. Gleiches gilt für Tausende Aktionäre, die sich getäuscht fühlen, Verluste erlitten haben, in Sammelklagen gegen VW vorgehen.
Doch nicht genug. Ab September müssen Neuwagen striktere Abgastests nach dem neuen Prüfzyklus WLTP durchlaufen, die dann EU-weit gelten. Sie sollen dafür sorgen, dass Angaben zu CO2- und Spritverbrauch – anders als in der Vergangenheit – tatsächlich stimmen.
Das zweite Halbjahr droht für Volkswagen weniger gut, auf jeden Fall deutlich turbulenter zu werden. Bei VW haben viele Modelle den Test noch nicht durchlaufen. Es ist fraglich, ob ihn alle bestehen werden. VW hat zig Modellvarianten – und hat bereits angekündigt, in den nächsten drei Monaten bis zu 50 Prozent weniger davon an Kunden zu verkaufen. Ohne bestandenen Test können die Autos gar nicht ausgeliefert werden.
Der Wolfsburger Autobauer drosselt vorsorglich die Produktion neuer Wagen. Das Werk in Emden hat zwölf Tage Kurzarbeit beantragt – wegen der „Diskussion um Dieselfahrverbote“, heißt es lapidar von VW. Dahinter aber steckt wohl eher ein drohendes Testfiasko.
Auch die Zulieferer spüren die Situation beim Autobauer. Ihnen fehlen Aufträge von VW, sie müssen deshalb ebenfalls kürzer treten.
Der neue Abgasstandard wächst sich zu einem Lackmustest aus. VW muss beweisen, dass es die neueren noch strikteren Abgaswerte schaffen kann. Einen zweiten GAU kann sich der Autobauer nicht leisten.
Tausende der nicht auslieferbaren Fahrzeuge parkt VW indes auf riesigen extra angemieteten Flächen zwischen. Das kostet.
Der Verkauf von Neuwagen bei VWHändlern läuft dennoch weiter. Als Anreiz bietet VW den Kunden Rabatte an. Das alles aber ist nicht unproblematisch. Sollte das neue Auto am neuen Test scheitern, dürfte der Wagen weniger wert sein als im Kaufvertrag angegeben. Händler lassen Kaufwillige deshalb vorsorglich Zusatzvereinbarungen unterschreiben, in denen sie auf den Abgastest hinweisen. Hier empfiehlt sich dringend, das Kleingedruckte sorgfältig zu lesen.
Scheitert das Fahrzeug am Test, dürfte eine solche Vereinbarung nicht rechtswirksam sein. Den Kunden droht dann die Rückabwicklung und wenn’s schlecht läuft, mächtiger, juristischer Ärger.