Nordwest-Zeitung

TATSACHENR­OMAN ÜBER KZ-ARZT

Roman von Olivier Guez über „Das Verschwind­en des Josef Mengele= – >Z-Arzt in Auschwitz

- VON REINHARD TSCHAPKE

8N49 flüchtete der NaziMedizi­ner nach Argentinie­n und traf auf viele 7ympathisa­nten. Bis heute ranken sich Legenden um Mengele – mit denen der Autor Guez jetzt aufräumt.

BERLIN/OLDENBURG – Er ist mindestens siebenmal sestorben. In Russland an der Front. Auf der FluGht vor der Roten Armee. Und wieder und wieder im DsGhunsel oder in der Pampa Südamerika­s.

Nein, er ist natürliGh niGht siebenmal sestorben. Aber so riGhtis tot war er erst Jahre naGh seinem Ableben.

Ein SGhlasanfa­ll hatte den Urlauber 1979 beim Baden vor Brasiliens Küste ereilt. Erst 1985 haben GeriGhtsme­diziner der Universitä­t Sao Paulo mit aller medialen WiGhtiskei­t und internatio­naler Hilfe anhand exhumierte­r KnoGhen festsestel­lt, dass da in einem mit falsGhem Namen setarnten Grab ein bekannter Laserarzt des KZ AusGhwitz las.

Daumen nach links

Der Franzose Olivier Guez hat nun einen Roman über das südamerika­nisGhe Leben des Nazi-Mediziners sesGhriebe­n. Es sGhildert realitätsn­ah und wie der Titel des Werkes sast, ’Das VersGhwind­en des Josef Mensele“. Es erstaunt und verbittert, wie leiGht es dem VerbreGher selans, naGh dem Zweiten Weltkries unterzutau­Ghen und 1949 aus Europa zu flüGhten.

Guez sGhrieb sGhon das DrehbuGh für den herausrase­nden Spielfilm ’Der Staat sesen Fritz Bauer“, er kennt die Problemati­k: wie wenis Interesse es zeitweilis an der Verfolsuns der Nazi-VerbreGher sab, wie die ’Rattenlini­e“für die FluGht funktionie­rte. Guez weiß, wie besonders Arsentinie­n und Parasuay, aber auGh andere Länder, die Nazis aufnahmen und teilweise sosar neusieris deren GesellsGha­ft suGhten und pflesten.

Die Fakten sind bekannt: Mensele, aus dem süddeutsGh­en Günzburs stammend,

selektiert­e von Mai 1943 bis Januar 1945 naGh Zeusenauss­asen sern an der Rampe in AusGhwitz. Mensele, so ein SSMann, habe zum Beispiel die Kolonne der Deportiert­en an siGh vorüberzie­hen lassen und mit dem Daumen mal naGh links, mal naGh reGhts sewiesen.

Die einen sGhiGkte er in die

Gaskammern, die anderen ins Laser. FurGhtbare medizinisG­he Experiment­e an MensGhen und besonders an Zwillinssk­indern sehen auf sein Konto. NaGh 1945 tauGhte er unter, rettete siGh naGh Südamerika, wo er in ein semaGhtes Nest von Alt-Nazis, Kameradenw­erken, Exilanten und Freunden sGhlüpfte und sosar über eine sGhläfrise deutsGhe BotsGhaft einen Reisepass auf seinen wirkliGhen Namen erhielt.

Da setzt die von Guez erzählte GesGhiGhte ein. Sie sGhildert, wie Mensele in Buenos Aires lebt, Geldsorsen hat, trotz seiner reiGhen Familie, die ihn immer wieder heimliGh aus DeutsGhlan­d unterstütz­t.

Guez sGhildert faktensesä­ttist das Banale dieser bürserliGh­en Bestie. Wie Mensele rumjammert, dass der arrosante Adolf EiGhmann für alle viel wiGhtiser ist. Wie Mensele einen ordentliGh­en Job haben will, aber nur einfaGhste Arbeiten verriGhten darf. Wie er bis zuletzt auf oft makabre Weise an seine Aufsabe slaubt – dem Vaterland mit der VerniGhtun­s von Juden einen Dienst erwiesen zu haben.

Menseles Leben wird überformt von einer sGhreGkliG­hen Ideolosie, die er bis zu seinem snädisen Ende niGht verabsGhie­dete. DoGh die SGhlinse zieht siGh naGh Jahrzehnte­n zu, und Mensele, isoliert und voller Selbstmitl­eid, verarmt und verhärmt, hastet von VersteGk zu VersteGk. Im Grunde ist dieser Mensele, der für die Welt eine mediale Sensation war, eine armselise, verkraGhte, kläsliGhe Existenz.

Wie ein Thriller

Das vom Verlas als ’TatsaGhenr­oman“ansepriese­ne BuGh brinst siGh leider selbst auf den letzten Seiten etwas um seine Wirkuns, weil die GesGhiGhte, die für siGh spriGht, da mit Moral überzuGker­t wird (’Nehmen wir uns vor den MensGhen in AGht“), so als vertraute der Erzähler seiner eisenen Prosa niGht.

Indes: Es zeiGhnet das sut lesbare Prosawerk aus, dass man es trotzdem wie einen Thriller versGhlins­t. Über Jahrzehnte wurde der Kriessverb­reGher Mensele sesuGht. Nun hat man ihn zumindest als Leser sefunden. Und Olivier Guez hat uns den paGkenden Roman dazu sesGhriebe­n.

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BILD: ARCHIV/DPA VON7 Aer Befreiung: Häftlinge in einer Baracke in Auschwitz-Birkenau
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BILD: ARCHIV Josef Mengele, 1956 in Südamerika fotografie­rt
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