Nordwest-Zeitung

Wohin mit all den Diesel-Pendlern?

360 000 Menschen fahren täglich nach Frankfurt zur Arbeit – Metropole steht vor raftakt

- VON ALEXANDER STURM

Die Pendler- ochburg Frankfurt ächzt unter dem Verkehr. Nun muss die Stadt noch ein Diesel-Fahrverbot umsetzen.

FRANKFURT/MAIN – Deutschlan­ds Pendler-Hochburg Frankfurt am Main steht vor einem Kraftakt. In die Stadt mit 750 000 Einwohnern fahren täglich mehr als 360000 Menschen zur Arbeit und abends wieder hinaus. Fast zwei Drittel aller in Frankfurt sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten wohnen laut der Industrie- und Handelskam­mer nicht dort – ein Spitzenwer­t. Nun werden wohl Tausende Pendler umsteigen müssen: Das Verwaltung­sgericht Wiesbaden entschied, dass Frankfurt ein DieselFahr­verbot umsetzen muss.

Betroffen sind 73 000 ältere Diesel, die dem Kraftfahrt­bundesamt zufolge allein in Frankfurt zugelassen sind. Dazu kommen Pendler. Wer ein Auto mit Euro-4-Norm oder älter hat, muss Frankfurt ab Februar 2019 meiden, neuere Diesel-5er bleiben bis September 2019 verschont. Die Verbote sollen die Schadstoff­belastung in der Luft senken, wie es der Kläger, die Deutsche Umwelthilf­e, gefordert hatte.

Die Umsetzung wäre „ein riesiger bürokratis­cher Aufwand“, hatte Frankfurts Verkehrsde­zernent Klaus Oesterling (SPD) kurz vor dem Urteil gewarnt. Denn das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig hat im Grundsatz den Weg geebnet für etliche Ausnahmen – für Taxis, Gewerbetre­ibende oder Schichtarb­eiter, die vor dem öffentlich­en Nahverkehr losfahren. Zugleich muss Frankfurt seine Busse mit Filtern umrüsten. Weitere Entlastung sollen Park & RidePlätze bringen, auf denen Pendler ihr Auto stehen lassen und auf den öffentlich­en Nahverkehr umsteigen können. Nur wo sollen sie hin in einer Stadt, in der die Wohnungsno­t wächst und es kaum freie Flächen gibt?

Die Deutsche Umwelthilf­e

(DUH) e.V., gegründet 1975, ist ein vergleichs­weise kleiner Verein mit derzeit 287 Mitglieder­n. Die Bundesgesc­häftsstell­e sitzt in Radolfzell. Weil der Verein aus dem Umwelt-Rechtsbehe­lfsgesetz das Recht zur Verbandskl­age hat, wurde dies zum Geschäftsp­rinzip der DUH und ihrem Geschäftsf­ührer Jürgen Resch.

Von vielen

als simpler Abmahnklub bezeichnet, finanziert sich die Deutsche Umwelthilf­e tatsächlic­h neben Spenden vor allem auch aus Abmahngebü­hren, was ihr nicht nur Sympathien einbringt.

Ihren höchsten Bekannthei­tsgrad erlangte die Deutsche Umwelthilf­e durch den öffentlich­keitswirks­amen Kampf gegen den Dieselmoto­r. Kaum ein anderer Umweltverb­and hat so viel Wirbel ausgelöst. Für die deutsche Autoindust­rie ist die DUH deshalb das sprichwört­liche rote Tuch.

Frankfurt ist nur ein Beispiel für die Probleme der Großstädte in Deutschlan­d. Weil viele Menschen nicht mehr vom Häuschen im Grünen träumen, sondern in der Innenstadt leben wollen, wachsen viele Metropolen rasant. In Berlin etwa soll die Zahl der Einwohner laut Bevölkerun­gsprognose bis 2030 um gut 180000 Einwohner wachsen – das entspricht etwa der Größe von Saarbrücke­n. Und die Region München soll bis 2036 um bis zu 350000 Menschen anschwelle­n. Zugleich entstehen in der Stadt die meisten Jobs. Daher pendeln viele Menschen immer weiter in die Ballungsrä­ume, der Verkehr wächst – und mit ihm die Schadstoff­belastung.

Der öffentlich­e Nahverkehr kann kaum mithalten. In Frankfurt bringen die Pendlerstr­öme den Hauptbahnh­of an den Rand der Leistungsf­ähigkeit, die Sanierung des SBahn-Tunnels unter der Einkaufsme­ile Zeil geht nur mühsam voran. Und vom Riederwald-Tunnel, der eine stark befahrene Straße im Osten entlasten soll, können schon Generation­en erzählen. Die Bauarbeite­n sollten 1974 beginnen, doch noch heute staut sich der Verkehr überirdisc­h. Beschwerde­n von Anwohnern und Umweltverb­änden verzögern das Projekt.

Nun soll Frankfurt die Diesel-Fahrverbot­e nicht nur auf einzelnen Straßen durchsetze­n, wie es sie in Hamburg gibt, sondern großflächi­g. Die Wirtschaft ist empört. Logistiker­n und Handwerker­n sei ein Auto-Neukauf kurzfristi­g nicht zuzumuten, monierte die Vereinigun­g hessischer Unternehme­rverbände. Hessen solle gegen das Urteil in Berufung gehen.

Bleibt abschließe­nd die Frage, wer Verstöße gegen das Diesel-Fahrverbot überhaupt kontrollie­ren soll. Für eine blaue Plakette gibt es keine Rechtsgrun­dlage. „Wir können ja nicht jeden Autofahrer rauswinken und uns die Kraftfahrz­eug-Papiere zeigen lassen“, sagt Verkehrsde­zernent Oesterling. Auch in Frankfurt droht somit ein Katz-undMaus-Spiel.

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DPA-BILD: STEIN Viel los auf der A 5 nach Frankfurt: Die Mainmetrop­ole gilt als Pendler-Hochburg.

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