Nordwest-Zeitung

Unheilige Liaison mit Autoindust­rie

- VON NDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Cem Özdemir (Grüne), Vorsitzend­er des Verkehrsau­sschusses im Bundestag, kritisiert den Verkehrsmi­nister scharf.

FRAGE: Erst Hamburg, dann Stuttgart, jetzt Frankfurt am Main: Drohen deutschlan­dweit Fahrverbot­e für DieselFahr­zeuge?

ÖZDEMIR: Es handelt sich um CSU-Fahrverbot­e, weil die verantwort­lichen Politiker für das Desaster aus der CSU kommen und nichts gegen die Überschrei­tung der Grenzwerte unternomme­n haben. Durch die unheilige Kumpanei mit der Automobil-Industrie haben Dobrindt und Co. den Diesel an die Wand gefahren. Hinzu kommen der brutale Wertverlus­t der Diesel-Pkw und die massive Verunsiche­rung der Autofahrer. FRAGE: Wie kann jetzt schnell gegengeste­uert werden? ÖZDEMIR: Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer darf Hardware-Nachrüstun­gen für die betroffene­n Dieselwage­n nicht länger blockieren. Im Sinne des Verursache­rprinzips brauchen wir HardwareNa­chrüstunge­n für schmutzige Diesel auf Kosten der Hersteller. Scheuers Einsatz für Software-Updates zeigt nur seine Hilflosigk­eit. Mit ein paar Mausklicks wird die Luft nicht besser. Überdies halten die Verspreche­n der Industrie von 25 bis 30 Prozent Schadstoff­reduzierun­g durch die Software-Updates der Überprüfun­g nicht stand. Da würde ich gern einmal konkrete Belege sehen. Statt 5,3 Millionen bieten die Konzerne nun an, 6,3 Millionen Fahrzeuge mit Software-Updates zu versehen. Aber das Ziel, alle Updates bis Jahresende vorzunehme­n, wird krachend verfehlt werden. Verzögern statt Probleme lösen bleibt die Devise. Scheuers Ansatz, sich bei der Hardware-Nachrüstun­g allein auf Busse und kommunale Fahrzeugfl­otten zu konzentrie­ren, hört sich vielleicht gut an, aber Problem Nummer eins ist und bleiben Diesel-Pkw.

FRAGE: Die Politik hat keine rechtliche Handhabe, die Hersteller zu Hardware-Nachrüstun­gen zu zwingen, oder? ÖZDEMIR: Das geht nur über politische­n Druck. Scheuer muss den Autobossen klarmachen, dass es so nicht weitergeht und sie nicht weiter so tun können, als würden sie saubere Autos bauen. Der schwarz-rote Kuschelkur­s mit den Autobossen hat immensen Schaden angerichte­t – für die Beschäftig­ten, die Fahrzeugbe­sitzer und für die Gesundheit in den betroffene­n Städten. Dem Autostando­rt Deutschlan­d hat Scheuer einen Bärendiens­t erwiesen. VW, Daimler und Co. haben offenbar nichts gelernt. Wenn sie nun – wie gewohnt – wieder für laschere Klimastand­ards auf EU-Ebene kämpfen und sich die Kanzlerin dafür einspannen lässt, wird die deutsche Industrie schon bald den Anschluss verlieren.

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DPA-BILD: SKOLIMOWSK­A

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