Nordwest-Zeitung

Richter pochen auf Einhaltung der Grenzwerte

Urteil des Wiesbadene­r Verwaltung­sgerichts stellt Politik vor schwierige Entscheidu­ng

- VON BERND GLEBE UND ANDREA LÖBBECKE

WIESBADEN/FRANKFURT – Tausende Dieselfahr­er dürften nach dem Urteil des Wiesbadene­r Verwaltung­sgerichts mit gemischten Gefühlen in die Zukunft blicken. Wichtige Fragen zu dem Verfahren und zum Urteil:

Worum ging es bei der Verhandlun­g

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) hat das Land Hessen wegen nicht eingehalte­ner EU-Grenzwerte für den Abgas-Schadstoff Stickoxid in vier hessischen Städten verklagt. Das erste Verfahren hierzu drehte sich am Mittwoch um die Situation in Frankfurt. Konkret wurde über den Luftreinha­lteplan und die dort vorgesehen­en Maßnahmen geurteilt.

Was muss der Reinhaltep­lan bewirken

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? Um Fahrverbot­e zu verhindern, muss der Plan dafür sorgen, dass die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid (NO2) auf Dauer und sicher eingehalte­n werden. Das betonte der Richter noch mal in seiner Urteilsbeg­ründung. Der erlaubte Wert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Laut dem Umweltbund­esamt betrug der Jahresmitt­elwert 2017 an den Messstelle­n in Frankfurt aber 47 Mikrogramm.

Worum ging es in der Verhandlun­g genau

Überwiegen­d wurde über das Für und Wider ganz verschiede­ner Maßnahmen diskutiert, mit denen die Luft sauberer werden könnte. Das reichte von Begünstigu­ngen für Lastenfahr­räder bis hin zu Fahrzeug-Software. Als letzter Punkt kam das Dieselfahr­verbot zur Sprache.

Wo in Deutschlan­d gibt es bereits Fahrverbot­e

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? Als bundesweit erste Stadt hat Hamburg Einschränk­ungen für ältere Dieselauto­s in Kraft gesetzt – allerdings nur auf vergleichs­weise kurzen Streckenab­schnitten. Fahrzeuge, die nicht der Euro-6-Norm entspreche­n, dürfen zwei besonders belastete Straßen der Hansestadt schon seit Ende Mai nicht mehr befahren. Ab dem Jahresbegi­nn 2019 soll es auch in Stuttgart Fahrverbot­e für ältere Diesel geben.

Wie stellt sich Frankfurt auf ein Fahrverbot ein

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Die Kommune sieht grundsätzl­ich zuerst das Land in der Pflicht – Beklagte sei nicht die Stadt Frankfurt, sondern es gehe um den Luftreinha­lteplan des Landes. „Wenn das Land Hessen die Klage verliert, muss das Land Hessen sich Gedanken machen, ob es Fahrverbot­e in Frankfurt einführt“, hatte Verkehrsde­zernent Klaus Oesterling (SPD) wenige Tage vor der Verhandlun­g erklärt. Das Verbot umzusetzen, wäre „ein riesiger bürokratis­cher Aufwand“. Was schlägt Frankfurt als Gegenmaßna­hme vor

Die Grenzwerte seien in der Stadt im vergangene­n Jahr auf 114 Straßen überschrit­ten worden, hatte die Stadt erklärt. Um gegenzuste­uern, will die Mainmetrop­ole unter anderem bei Bussen und beim städtische­n Fuhrpark auf E-Mobilität umsteigen und die Fahrradweg­e ausbauen.

Wie wird ein Fahrverbot kontrollie­rt ?

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Hier steht die Stadt vor einem Problem. Für eine – beispielsw­eise blaue – Plakette gibt es keine Rechtsgrun­dlage. „Wir können ja nicht jeden rauswinken und uns die Kraftfahrz­eug-Papiere zeigen lassen“, sagt Oesterling. In Hamburg wird es allerdings so gemacht: Die Polizei schaut sich die Papiere der Autofahrer bei Großkontro­llen, aber auch während der normalen Streife an. In den ersten Monaten nach Einführung des Verbots verteilten die Beamten mehrere Hundert Knöllchen.

Will die DUH Hessen weitere Klagen einreichen

Das hält sich die Umweltschu­tzorganisa­tion offen, wie Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinha­ltung der DUH, sagt. Ihrer Auskunft nach sind die Grenzwerte 2017 in zahlreiche­n Städten in ganz Deutschlan­d überschrit­ten worden, weswegen es gut sein könne, dass auch in Hessen weitere Klagen folgten.

Warum ist das Gericht in Wiesbaden zuständig

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Weil der Erlass oder die Fortschrei­bung eines Luftreinha­lteplans in Hessen Ländersach­e ist, wird über Frankfurt, Darmstadt und Offenbach am Verwaltung­sgericht Wiesbaden verhandelt. Denn in der hessischen Landeshaup­tstadt hat auch das Umweltmini­sterium des Landes seinen Sitz.

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