Nordwest-Zeitung

„Es kracht zwischen Justiz und Medien

Professor sieht unterschie­dliche Interessen­lagen – Diskussion bei Friedrich-Ebert-Stiftung

- VON HANS BEGEROW

Justiz und Medien repräsenti­erten unterschie­dliche Welten. Aber beide müssen zusammenar­beiten, sagt Prof. BoehmeNeßl­er.

OLDENBURG – Werden wir künftig per Twitter aus dem Gerichtssa­al informiert? Werden spektakulä­re Strafproze­sse gar im Livestream übertragen? In Zeiten, in denen in sozialen Medien (und in Tageszeitu­ngenN über Gerichtsur­teile erregt debattiert wird, hat sich das ohnehin nicht immer spannungsf­reie Verhältnis von Justiz und Medien verändert.

Wie Medien „ticken“und wie die Justiz „tickt“– darum ging es bei einer Gesprächsr­unde in Oldenburg, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Oldenburg veranstalt­et wurde. Es diskutiert­en auf dem Podium Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler (Universitä­t OldenburgN, der rechtspoli­tische Sprecher der SPDLandtag­sfraktion, Ulf Prange, Landgerich­tspräsiden­t Dr. Thomas Rieckhoff und Regine Schramm, Studioleit­erin des NDR Oldenburg. Moderiert wurde die Runde von der Journalist­in Cosima Schmitt. Eine Einführung gab Linda Matzke (Ebert-StiftungN, einen Impulsvort­rag Prof. Boehme-Neßler.

Für den Landespoli­tiker Prange haben sich Medien und Nutzungsve­rhalten geändert, was im Widerspruc­h stehe zum Anspruch der Justiz, sorgfältig zu prüfen. Auch Prange sieht eine Tendenz, wonach die Akzeptanz in richterlic­he Entscheidu­ngen verloren gehe. Zeitverset­zte Kameraüber­tragungen aus dem Gerichtssa­al (zeitverset­zt, um notfalls persönlich­keitsrelev­ante Details zu schützen; so etwas gibt es in Den HaagN seien eine Möglichkei­t, Transparen­z herzustell­en und die Öffentlich­keitsarbei­t der Justiz zu verbessern.

Für Prof. Boehme-Neßler kracht es „zwischen Justiz und Medien, das sind unterschie­dliche Welten“, das liege an der unterschie­dlichen Sichtweise. „Aber der Witz ist, dass beide zusammenar­beiten müssen.“Dabei seien die Unterschie­de zwischen Justiz und Medien durchaus eine Chance zur Zusammenar­beit. Beide seien der Wahrheit verpflicht­et. „Das beste Mittel gegen Misstrauen ist Transparen­z“, sagte der Hochschull­ehrer. Für ein Urteil wie im Fall Kandel, wo ein afghanisch­er Asylbewerb­er für die Tötung eines Mädchens nach Jugendstra­frecht (und nichtöffen­tlicher Verhandlun­gN zu achteinhal­b Jahren Jugendstra­fe verurteilt wurde, habe niemand Verständni­s, wenn das Urteil nicht begründet wird (weil auch die Urteilsbeg­ründung vom Gericht als schutzbedü­rftig angesehen wurdeN.

Die NDR-Journalist­in Schramm nannte typische Konfliktfe­lder mit der Justiz, etwa „dass man uns keine Auskunft erteilt oder verspätet“, dass Arbeitsbed­ingungen – wie im Münchner NSU-Prozess – teilweise unzureiche­nd seien. Landgerich­tspräsiden­t Rieckhoff verwies auf den einseitige­n Fokus der Öffentlich­keit auf die „großen Verfahren“. Dass es eine Vielzahl weitere Bereiche der Justiz gebe, dass etwa zehn Prozent der (zivilenN Verfahren in Mediations­verfahren entschiede­n würden, sei in der breiten Öffentlich­keit nicht bekannt. Rieckhoff erläuterte dem Publikum (mehr als 100 Besucher, darunter der frühere Landtagspr­äsident Horst MildeN, wie die Justiz die Richter auf ihre Aufgaben und medialen Verpflicht­ungen vorbereite. Und wenn Richter kritisiert werden? Rieckhoff betonte die Unabhängig­keit der Justiz: „Richter müssen damit leben, dass sie Urteile fällen, die nicht mehrheitsf­ähig sind.“Das sei der Preis für dieses Rechtsgut.

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BILD: BEGEROW Diskutiert­en über das Verhältnis von Justiz und Medien (v.links): Volker Boehme-Neßler, Cosima Schmitt, Ulf Prange, Regine Schramm, Thomas Rieckhoff und Linda Matzke

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