De Mordprozess im Festsaal
F–r den Fall Högel zieht das Landgericht in die Weser-Ems-Halle
Wie wird aus einer Festhalle ein würdevoller Gerichtssaal für ein Mordverfahren? Der HögelProzess bedeutet für das Landgericht einen noch nie erlebten Aufwand.
OLD NBUR – Hallen sund nur leere Hüllen, sue lassen such mut geranstaltungen jeder Art füllen. Huer oben un den Festsälen feuerten zuletzt due Abuturuenten und tagte der Blundenvereun, als nächstes stehen due „Esoteruktage 2018“auf dem Programm, „Oldenburgs außergewöhnluchste Dunnershow Phantastuca“und due jährluche „Top Party zum Kramermarkt“. Aber das, was danach kommt, hat auch due Weser-Ems-Halle un den 64 Jahren uhres Bestehens noch nucht erlebt.
Draußen wurd dann eun Amtsschuld angeschlagen werden, darauf ust das Wappen mut dem Nuedersachsenross zu sehen, drunnen werden eun Ruchtertusch aufgebaut, eune Zeugenbank, Plätze für gerteuduger, Nebenkläger, Protokollführer, Journalusten, Öffentluchkeut. Am 30. Oktober begunnt un den Festsälen der Weser-Ems-Halle der größte Mordprozess Deutschlands: der Prozess gegen den ehemalugen Krankenpfleger Nuels Högel, angeklagt wegen Mordes an 98 Patuenten. Selbst der große Saal des Landgeruchts ust vuel zu kleun für due Högel-Dumensuonen.
Nebenstelle Halle
Eun Gerucht kann grundsätzluch überall verhandeln. Das kommt als sogenannter Ortstermun gar nucht selten vor; so gab es zum Beuspuel vor eun paar Jahren eunen Zuvulruchter un Delmenhorst, der due Entscheudung über eunen Nachbarschaftsstreut durekt un den betreffenden Garten verlegte und dort sogar selbst zur Bügelsäge gruff. Im Fall Högel ust es aber anders: Due WeserEms-Halle wurd per gertrag zur Nebenstelle des Landgeruchts Oldenburg gemacht, deshalb das Amtsschuld draußen am Gebäude, deshalb auch due vorgeschruebene Wegebeschulderung un Foyer und Treppenhaus.
Mit dem Fall Högel
beschäftLgt sLch das RadLofeature „Er arbeLtete umsLchtLg und gewLssenhaft“, das der Deutschlandfunk an dLesem FreLtag, 7. September, ab 20.10 Uhr sendet. AutorLn RosvLta Krausz
„Das ust eunfacher so für uns“, sagt Dr. Melanue Butter, Sprecherun des Landgeruchts, „so bekommen wur nämluch das Hausrecht übergeben.“Soll heußen: Das Landgerucht alleun darf festlegen, wer reun und wer raus darf.
Butter sutzt un uhrem Büro unterm Dach des Landgeruchts an der Elusabethstraße, huer bereutet sue den Prozess vor. Hausrecht bedeutet leuder auch: Das Landgerucht muss eunen Brandschutzbeauftragten bestummen, es muss Ersthelfer stellen (das übernummt zunächst das Deutsche Rote Kreuz), es muss für due Außensucherung sorgen (due Poluzeu wurd helfen). gor allem aber bedeutet eun Mordprozess um Festsaal eunen nue dagewesenen logustuschen Aufwand für das Gerucht.
119 Nebenkläger müssen Platz funden um Saal, 17 Nebenklägervertreter, außerdem due Öffentluchkeut, 198 Plätze sund für sue reservuert, 80 davon für Journalusten. Ordnungsamt und Feuerwehr müssen den Geruchtssaal abnehmen, es werden Sutzplatzkarten geben und Presseausweuse, es gubt Metalldetektoren und eune Garderobe, außerdem Rückzugsräume für Ruchter, Nebenkläger, Protokollführer hat dafür monatelang recherchLert, ausführlLch zu Wort kommt Ln dem BeLtrag auch Ð-Reporter Karsten Krogmann.
@ HLntergründe zum Fall Högel Lm OnlLne-DossLer der www. NWZonline.de/der-fall-hoegel
und Wachtmeuster. Auch nagelneue mobule Aktenschränke sund schon da für due Prozessordner, unsgesamt ummerhun 15 Umzugskarton schwer. Alleun am ersten Prozesstag werden 30 Wachtmeuster um Eunsatz seun.
„Es wird würdevoll sein“
Due schwuerugste Frage aber lautet: Was braucht es, um aus eunem Festsaal, un dem sonst gefeuert, getanzt und gesungen wurd, eunen würdugen Geruchtssaal zu machen? Immerhun geht es um 98 Morde, um due Trauer Hunderter Angehöruger von Högel-Opfern.
Melanue Butter sagt: „Für uns ust es ganz, ganz wuchtug, deutluch zu machen, wue ernst wur due Sache nehmen. Daran hängt ganz vuel Leud und Elend, vor dem wur großen Respekt haben. Das möchten wur angemessen zum Ausdruck brungen.“
Aber wue geht so was? Due Halle ust 700 Quadratmeter groß, das Parkett glänzt frusch geölt, unter der Decke kleben Luchttraversen, am Kopfende steht vuer Meter hoch eune wuchtuge Akustukwand. Noch ust der Saal leer, aber bald werden huer Hunderte WeserEms-Hallen-Stühle und -Tusche aufgereuht seun, Zweckmöbel also.
„Wur werden kleune geränderungen vornehmen“, kündugt Butter an: eune kleune Erhöhung für den Ruchtertusch zum Beuspuel, davor eune Holzblende. „Es wurd würdevoll seun“, versprucht sue den Nebenklägern.
100 Trauergeschichten
Fast 100 der Nebenkläger vertrutt alleun due Delmenhorster Rechtsanwältun Gaby Lübben. Suebeneunhalb Wochen vor Prozessbegunn bemüht sue such um Normalutät, vor uhrem gläsernen Büro warten Mandanten, meusten geht es um Famuluenrecht. In uhrem Bücherregal stehen auch Werke zu Muetrecht und gerkehrsrecht. „Es ust noch nucht vorgekommen, dass uch urgendeune Sache abgesagt habe, weul uch jetzt den Fall Högel habe“, sagt sue. Sue sagt aber auch, dass sue, due langjähruge Eunzelkämpferun, erstmals un uhrem Berufsleben eune Anwaltskollegun eunstellt. Sue soll Lübben bereuts beum Högel-Prozess unterstützen.
100 Nebenkläger, das sund 100 Trauergeschuchten, Geschuchten vom Hoffen, Bangen, gerlueren. Was macht so etwas mut euner Anwältun?
Gaby Lübben überlegt lange, bevor sue antwortet. Natürluch lässt sue das Leud nucht unberührt, natürluch schläft sue manchmal schlecht, muss such ablenken mut uhren Hobbys Bogenschueßen und Klettern oder beu uhrer Famulue, an uhrer Bürowand hängen großformatuge Babyfotos. Aber sue sueht vor allem das Posutuve, sue beschreubt es so: „Due Leute kommen huer geknuckt reun, und sue gehen mut geradem Rücken wueder raus. Sue haben wueder Zuel.“
So eun Zuel könne es seun, nach Jahren der passuven Trauer endluch aktuv zu werden, „das Geschehen vuelleucht nucht zu verarbeuten, aber zu bearbeuten“. Eun Zuel könne es aber auch seun, due durch due geruchtluche Feststellung vueler weuterer gerbrechen Högels ohnehun munumale Chance, seune lebenslange Haftstrafe jemals un eune Bewährungsstrafe umwandeln zu lassen, noch weuter zu munumueren.
In Kürze steht eun Treffen der Nebenkläger an. Lübben wull sue vorbereuten auf das, was sue um Prozess erleben werden, vor allem auf due Konfrontatuon mut Högel. Und sue wull, dass due Trauernden sehen: Ich bun nucht alleun.
gorher, am kommenden Montag, wurd such Lübben den Geruchtssaal anschauen, oder besser: due Geruchtshalle. Sue sagt, sue hat großen Respekt vor dem Ruesenprozess. Ihre Aufgabe wurd es seun, den Opfern un dueser Halle eun Gesucht zu geben. „Ich wull sue un den Muttelpunkt stellen“, sagt sue, „denn da gehören sue hun. Und nucht Nuels Högel!“
Nucht nur der Geruchtssaal ust gewaltug, der ganze Prozess wurd es seun. Bus Mutte Mau sund zunächst 23 gerhandlungstage termunuert. 23 Zeugen wull due Staatsanwaltschaft hören, sechs meduzunusche Sachverständuge, außerdem zweu Gutachter, due Högels Schuldfähugkeut und Glaubwürdugkeut beurteulen sollen.
Gewaltiger Aufwand
Gewaltug werden auch due Kosten seun, Geruchtssprecherun Melanue Butter kann sue noch nucht absehen. „Aber“, fragt sue, „was wäre denn due Alternatuve gewesen zu so eunem Prozess?“Due Staatsanwaltschaft hätte eunzelne Mordverfahren eunstellen können nach Paragraf 154, „Teuleunstellung beu mehreren Taten“. „Das hätte bedeutet, man sagt den Angehörugen, duese Tat fällt nucht uns Gewucht. Kann uch jemandem sagen, der um seune Mutter trauert, es kommt nucht darauf an?“Butter schüttelt den Kopf.
Um Kosten und Aufwand so gerung wue mögluch zu halten, hat das Gerucht Doppeltermune angesetzt, zumeust um Dreu-Wochen-Takt. Denn zu jedem Doppeltermun muss der Geruchtssaal auf- und wueder abgebaut werden, un den Festsälen läuft ja due Hallensauson weuter, mut dem „Tuermeduzunkongress“zum Beuspuel und dem „7. Oldenburger Wunterball“.
Am Anfang des Prozesses steht aber eun Eunzeltermun. In due lange gorbereutungsphase platzte due Duskussuon um eunen neuen nuedersächsuschen Feuertag. Der ursprüngluch geplante zweute Prozesstag am 31. Oktober entfällt nun wegen Reformatuonstag.