Sorge wegen legaler Suchtstoffe
Drogenbeauftragte sieht Alkohol und Tabak als größte Herausforderungen
Die Zahl der Toten durch illegale Drogen in Deutschland ist leicht gesunken. Neben verbotenen Stoffen wie Heroin lenkt die Regierung den Blick auf Alltagsrisiken für Millionen Bürger.
BERLIN – Rauchen und übermäßiges Alkoholtrinken richten trotz leicht sinkenden Konsums immer noch massive Gesundheitsschäden in Deutschland an – und neue riskante Produkte sind im Kommen. „Die ganz großen Herausforderungen liegen bei den legalen Suchtstoffen Alkohol und Tabak“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, am Donnerstag bei der Vorlage ihres Jahresberichts in Berlin. Missbrauch von Alkohol habe die mit Abstand größten gesellschaftlichen Folgen – auch für mehr als zwei Millionen Kinder suchtkranker Eltern. Die CSU-Politikerin forderte einen neuen Anlauf für ein Verbot der Zigarettenwerbung. „Sucht ist kein Randphänomen. Jeder kann betroffen sein – selbst oder als Angehöriger“, sagte Mortler. Nach Schätzungen hätten 13 Millionen Menschen Suchtprobleme. Ein Überblick:
RAUCHEN
Die Zahlen seien zwar erfreulich, erläuterte Mortler. So ging der Anteil rauchender Jugendlicher in den vergangenen zehn bis 15 Jahren um zwei Drittel zurück. Auch bei Erwachsenen sank der RaucherAnteil laut Drogenbericht seit 2003 spürbar – von knapp 39 Prozent auf 27 Prozent bei Männern, von 29 Prozent auf 21 Prozent bei Frauen. „Bei 120000 Tabaktoten im Jahr können wir uns dennoch nicht zurücklehnen“, sagte Mortler.
PASSIVRAUCHEN
Besonders unter die Lupe genommen wurden die Folgen von Rauchen im eng begrenzten Inneren von Autos. Schon bei drei oder vier konventionellen Zigaretten sei die Luft „so kontaminiert wie in einer Raucherkneipe“, warnte Mortler. Auch bei Elektrozigaretten sei die Luft etwa mit Aerosolen belastet, die Atemwege gerade von Kindern angreifen könnten.
NEUE RAUSCHPRODUKTE
Bei Elektrozigaretten oder Wasserpfeifen gebe es „einen klaren Aufwärtstrend – sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen“, sagte die Beauftragte. In E-Zigaretten seien zwar weniger krebserregende Stoffe als in herkömmlichen, unproblematisch seien sie aber keineswegs. Oft völlig unterschätzt würden auch Shishas, die bei Jüngeren beliebter werden. So halte sich bei vielen das Gerücht, dass der Rauch durch das Wasser gefiltert werde – was Unsinn sei, sagte Mortler.
ALKOHOL
Auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch in den vergangenen Jahren gesunken ist, werde noch deutlich zu viel Alkohol getrunken, sagte die CSU-Politikerin. Das habe massive Folgen. Psychische Störungen durch Alkoholkonsum seien bei Männern der häufigste Grund für Krankenhausbehandlungen überhaupt. Auch der volkswirtschaftliche Schaden ist erheblich: Allein direkte Kosten durch Krankheiten, Pflege oder infolge von Unfällen summieren sich laut Drogenbericht auf jährlich mehr als neun Milliarden Euro.
CANNABIS
Besorgniserregend sei ein Anstieg des Cannabis-Konsums bei Jugendlichen und Erwachsenen, sagte Mortler. Dabei sei der Stoff viel stärker als vor 20 Jahren. Statt um „Freies Kiffen für alle“müsse es um frühere Beratung gehen.
DROGENTOTE
Die Zahl der Toten durch illegale Drogen in Deutschland ist nach vier Jahren mit Zunahmen in Folge im vergangenen Jahr erstmals leicht auf 1272 gesunken. Hauptursache für einen Drogentod sind nach wie vor Überdosierungen von Opioiden wie Heroin und Morphin. Mit Sorge beobachten Fachleute eine immer größere Palette neuer, meist synthetischer Wirkstoffe.