Angst vor einem neuen Wettrüsten
Internationale Kritik an Trumps Ausstiegsplan – Gorbatschow: Schwerer Fehler
Der US-Präsident wirft Russland vor, sich nicht an den Vertrag zu halten. Die Bundesregierung zeigte sich entsetzt.
WASHINGTON/MOSKAU/BERLIN – Der geplante Ausstieg der USA aus einem wichtigen Abrüstungsvertrag sorgt international für Kritik. US-Präsident Donald Trump erklärte am Wochenende, dass seine Regierung den INF-Vertrag über atomare Mittelstreckenraketen aufkündigen wolle. Er warf Russland vor, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Deshalb wolle er den Vertrag nicht mehr länger aufrechterhalten, sagte Trump am Samstag in Nevada.
Der INF-Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion aus dem Jahr 1987. Er verbietet beiden unter anderem den Bau und den Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Immer wieder gab es gegenseitige Vorwürfe über einen Vertragsbruch, auch ein Ausstieg stand in den vergangenen Jahren im Raum.
Trump erklärte am Samstag, es sei nicht hinnehmbar, dass die USA sich an den Vertrag hielten, Russland aber nicht. Seine Regierung werde die Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen dazu zustimmen.
Moskau nannte Trumps Pläne einen „gefährlichen Schritt“, der die Welt ins Chaos stürzen könnte. VizeAußenminister Sergej Rjabkow sprach von Bedrohung und Erpressung, womit die USA lediglich neue Zugeständnisse von Russland abverlangen wollten. „Die Unfähigkeit und die Abneigung, mit uns auf vernünftiger Grundlage zu verhandeln, drängt Washington nun zu dem Schritt“, sagte Rjabkow der Agentur Tass. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich das nicht gefallen lassen. Das Vorgehen der USA müsse eine ernsthafte Verurteilung nach sich ziehen. Er forderte den US-Sicherheitsberater John Bolton auf, bei einem Treffen am Montag in Moskau über die weiteren Schritte Klarheit zu schaffen.
Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow bezeichnete Trumps Vorhaben als schweren Fehler. „Versteht man in Washington wirklich nicht, wohin dies führen könnte?“, sagte der Friedensnobelpreisträger der Agentur Interfax.
Die US-Regierung bezieht ihre Vorwürfe über eine Vertragsverletzung auf neue russische Marschflugkörper mit dem Nato-Code SS-C-8 (Russisch: 9M729), die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben sollen. Anfang des Monats machten die 28 Mitgliedstaaten der Nato deswegen Druck auf Moskau und forderten Putins Regierung auf, glaubwürdige Angaben zu dem Raketensystem vorzulegen.
Die Bundesregierung zeigte sich entsetzt über Trumps Pläne. Außenminister Heiko Maas nannte sie „bedauerlich“. Er fügte hinzu: „Wir werben auch gegenüber den USA dafür, mögliche Konse- quenzen zu bedenken.“Der INF-Vertrag sei seit 30 Jahren „eine wichtige Säule“der europäischen Sicherheitsarchitektur. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), erklärte, es sei eine „verheerende Entscheidung von Präsident Trump, den INF-Vertrag aufzugeben“. Europa müsse jetzt eine neue Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen verhindern.