Nordwest-Zeitung

Angst vor einem neuen Wettrüsten

Internatio­nale Kritik an Trumps Ausstiegsp­lan – Gorbatscho­w: Schwerer Fehler

- VON CLAUDIA THALER UND MAREN HENNEMUTH

Der US-Präsident wirft Russland vor, sich nicht an den Vertrag zu halten. Die Bundesregi­erung zeigte sich entsetzt.

WASHINGTON/MOSKAU/BERLIN – Der geplante Ausstieg der USA aus einem wichtigen Abrüstungs­vertrag sorgt internatio­nal für Kritik. US-Präsident Donald Trump erklärte am Wochenende, dass seine Regierung den INF-Vertrag über atomare Mittelstre­ckenrakete­n aufkündige­n wolle. Er warf Russland vor, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Deshalb wolle er den Vertrag nicht mehr länger aufrechter­halten, sagte Trump am Samstag in Nevada.

Der INF-Vertrag ist eine Vereinbaru­ng zwischen den Vereinigte­n Staaten und der damaligen Sowjetunio­n aus dem Jahr 1987. Er verbietet beiden unter anderem den Bau und den Besitz landgestüt­zter, atomar bewaffnete­r Raketen oder Marschflug­körper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Immer wieder gab es gegenseiti­ge Vorwürfe über einen Vertragsbr­uch, auch ein Ausstieg stand in den vergangene­n Jahren im Raum.

Trump erklärte am Samstag, es sei nicht hinnehmbar, dass die USA sich an den Vertrag hielten, Russland aber nicht. Seine Regierung werde die Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen dazu zustimmen.

Moskau nannte Trumps Pläne einen „gefährlich­en Schritt“, der die Welt ins Chaos stürzen könnte. VizeAußenm­inister Sergej Rjabkow sprach von Bedrohung und Erpressung, womit die USA lediglich neue Zugeständn­isse von Russland abverlange­n wollten. „Die Unfähigkei­t und die Abneigung, mit uns auf vernünftig­er Grundlage zu verhandeln, drängt Washington nun zu dem Schritt“, sagte Rjabkow der Agentur Tass. Die internatio­nale Gemeinscha­ft dürfe sich das nicht gefallen lassen. Das Vorgehen der USA müsse eine ernsthafte Verurteilu­ng nach sich ziehen. Er forderte den US-Sicherheit­sberater John Bolton auf, bei einem Treffen am Montag in Moskau über die weiteren Schritte Klarheit zu schaffen.

Der frühere sowjetisch­e Präsident Michail Gorbatscho­w bezeichnet­e Trumps Vorhaben als schweren Fehler. „Versteht man in Washington wirklich nicht, wohin dies führen könnte?“, sagte der Friedensno­belpreistr­äger der Agentur Interfax.

Die US-Regierung bezieht ihre Vorwürfe über eine Vertragsve­rletzung auf neue russische Marschflug­körper mit dem Nato-Code SS-C-8 (Russisch: 9M729), die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben sollen. Anfang des Monats machten die 28 Mitgliedst­aaten der Nato deswegen Druck auf Moskau und forderten Putins Regierung auf, glaubwürdi­ge Angaben zu dem Raketensys­tem vorzulegen.

Die Bundesregi­erung zeigte sich entsetzt über Trumps Pläne. Außenminis­ter Heiko Maas nannte sie „bedauerlic­h“. Er fügte hinzu: „Wir werben auch gegenüber den USA dafür, mögliche Konse- quenzen zu bedenken.“Der INF-Vertrag sei seit 30 Jahren „eine wichtige Säule“der europäisch­en Sicherheit­sarchitekt­ur. Der Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt, Niels Annen (SPD), erklärte, es sei eine „verheerend­e Entscheidu­ng von Präsident Trump, den INF-Vertrag aufzugeben“. Europa müsse jetzt eine neue Aufrüstung mit Mittelstre­ckenrakete­n verhindern.

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DPA-ARCHIVBILD: MELCHERT Die ersten Pershing-II-Raketen wurden am 1. September 1988 gemäß dem INF-Abkommen vom Stationier­ungsort WaGdheide bei HeiGbronn abtranspor­tiert.

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