Nordwest-Zeitung

Berliner Schatten reicht bis Wiesbaden

Ruf Bayern-Entscheidu­ng folgt in Hessen nächste Schicksals­wahl – Chaos im Bund belastet Parteien

- VON ANDREA LÖBBECKE UND BERND GLEBE

Am kommenden Sonntag sind 4,4 Millionen Hessen zur Wahl berechtigt. Ob die schwarzgrü­ne Landesregi­erung an der Macht bleibt, ist keineswegs sicher.

WIESBADEN – Die lelzte Landtagswa­hl 2018 ist mehr als eine Entscheidu­ng über die Machtverhä­ltnisse in Hessen. Mit ihrem Kreuz entscheide­n die knapp 4,4 Millionen Wahlberech­tigten auch ein Stück mit über das Schicksal der großen Koalition im Bund. Bei der Abstimmung am 28. Oktober drohen Union und SPD nach der Bayern-Wahl der nächste kräftige Dämpfer.

Die schwarz-grüne Landesregi­erung in Hessen hat sich in den vergangene­n fünf Jahren von einem Experiment zu einem stabilen Bündnis gemausert. Beide Partner würden gerne miteinande­r weitermach­en. Die Umfragewer­te geben diese Konstellat­ion derzeit jedoch nicht her – obwohl die Grünen einen Höhenflug erleben. Womöglich müsste die FDP mit ins Boot geholt werden, die Liberalen in Hessen zeigen sich offen für ein Jamaika-Bündnis.

Die hessische CDU sackte in Umfragen zuletzt empfindlic­h ab – eine mögliche Folge auch der wochenlang­en Querelen im Bund. Ministerpr­äsident Volker Bouffier lässt dagegen gern durchblick­en, wie eng sein Verhältnis zur Parteichef­in ist. „Ich bin nahezu täglich mit der Kanzlerin im Gespräch“, versichert­e der CDU-Vize zuletzt beim Ringen um den Diesel-Kompromiss. Diese Treue könnte Bouffier von Merkel-kritischen Wählern übel genommen werden.

Allerdings ist es undenkbar, dass Hessens Regierungs­chef seinen Kurs ändert. Auch ihm dürfte präsent sein, wie die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkan­didatin Julia Klöckner kurz vor der Landtagswa­hl im Jahr 2016 einen Plan „A2“vorlegte, um sich von Merkels umstritten­er Flüchtling­spolitik abzugrenze­n. Ein Manöver, das ihr womöglich den Sieg kostete.

Ein Machtverlu­st der hessischen CDU würde allerdings

auch Merkel empfindlic­h treffen. Anfang Dezember will sie sich auf einem Parteitag zur Wiederwahl als Parteivors­itzende stellen. Nicht ausgeschlo­ssen wird in der CDU, dass sie dies überdenkt, sollte Bouffier die Staatskanz­lei nicht verteidige­n können.

Die hessische SPD liegt jüngsten Umfragen zufolge deutlich hinter der CDU. Für Parteichef und Spitzenkan­didat Thorsten Schäfer-Gümbel

geht es um viel: Der SPD-Vize tritt bereits zum dritten Mal an, um Ministerpr­äsident zu werden. Wird der 49-Jährige bei einem weiteren Scheitern erneut Opposition­sführer? Schwer vorstellba­r.

Ein Ministeram­t in einer großen Koalition schließt Schäfer-Gümbel trotz persönlich­er Spannungen mit Bouffier nicht gänzlich aus. Ob mit der zerstritte­nen GroKo in Berlin und dem sinkenden Vertrauen der Bürger in die großen Volksparte­ien ein Bündnis zwischen SPD und CDU in Hessen innerparte­ilich und nach außen vertretbar ist, scheint mehr als offen.

Im Schatten der BayernWahl war es für die Wahlkämpfe­r zwischen Kassel und Darmstadt nicht leicht, mit hessischen Themen durchzudri­ngen. Zu übermächti­g ist derzeit die Bundespoli­tik, aber auch die Frage, wie man mit der AfD umgehen sollte. Laut Umfragen werden die Rechtspopu­listen wohl mit einem zweistelli­gen Ergebnis in den Landtag einziehen.

Der Umgang mit der AfD war bei den im Wiesbadene­r Landtag vertretene­n Parteien vor der Wahl sehr unterschie­dlich. Teils wurde die Alternativ­e für Deutschlan­d nahezu totgeschwi­egen. Zuletzt wurde der Ton schärfer.

Die hessische AfD gibt sich bürgerlich-konservati­v, ihre Vertreter äußern in der Endphase des Wahlkampfe­s aber zunehmend deutlich ihre Haltung in der Flüchtling­sfrage. Als Hauptgegne­r haben die Rechtspopu­listen die Grünen im Land und Merkel im Bund ausgemacht.

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DPA-BILD: DEDERT Zwei Kreuze dürfen die Wähler in Hessen machen. Mit der Erststimme wählen sie einen Direktkand­idaten, mit der Zweitstimm­e eine Partei.
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DPA-BILD: DEDERT Hier gehtJs rund: Dicht gedrängt saKen die hessischen Landtagsab­geordneten in der vergangene­n Legislatur­periode im Plenarsaal in Wiesbaden.

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