Berliner Schatten reicht bis Wiesbaden
Ruf Bayern-Entscheidung folgt in Hessen nächste Schicksalswahl – Chaos im Bund belastet Parteien
Am kommenden Sonntag sind 4,4 Millionen Hessen zur Wahl berechtigt. Ob die schwarzgrüne Landesregierung an der Macht bleibt, ist keineswegs sicher.
WIESBADEN – Die lelzte Landtagswahl 2018 ist mehr als eine Entscheidung über die Machtverhältnisse in Hessen. Mit ihrem Kreuz entscheiden die knapp 4,4 Millionen Wahlberechtigten auch ein Stück mit über das Schicksal der großen Koalition im Bund. Bei der Abstimmung am 28. Oktober drohen Union und SPD nach der Bayern-Wahl der nächste kräftige Dämpfer.
Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat sich in den vergangenen fünf Jahren von einem Experiment zu einem stabilen Bündnis gemausert. Beide Partner würden gerne miteinander weitermachen. Die Umfragewerte geben diese Konstellation derzeit jedoch nicht her – obwohl die Grünen einen Höhenflug erleben. Womöglich müsste die FDP mit ins Boot geholt werden, die Liberalen in Hessen zeigen sich offen für ein Jamaika-Bündnis.
Die hessische CDU sackte in Umfragen zuletzt empfindlich ab – eine mögliche Folge auch der wochenlangen Querelen im Bund. Ministerpräsident Volker Bouffier lässt dagegen gern durchblicken, wie eng sein Verhältnis zur Parteichefin ist. „Ich bin nahezu täglich mit der Kanzlerin im Gespräch“, versicherte der CDU-Vize zuletzt beim Ringen um den Diesel-Kompromiss. Diese Treue könnte Bouffier von Merkel-kritischen Wählern übel genommen werden.
Allerdings ist es undenkbar, dass Hessens Regierungschef seinen Kurs ändert. Auch ihm dürfte präsent sein, wie die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner kurz vor der Landtagswahl im Jahr 2016 einen Plan „A2“vorlegte, um sich von Merkels umstrittener Flüchtlingspolitik abzugrenzen. Ein Manöver, das ihr womöglich den Sieg kostete.
Ein Machtverlust der hessischen CDU würde allerdings
auch Merkel empfindlich treffen. Anfang Dezember will sie sich auf einem Parteitag zur Wiederwahl als Parteivorsitzende stellen. Nicht ausgeschlossen wird in der CDU, dass sie dies überdenkt, sollte Bouffier die Staatskanzlei nicht verteidigen können.
Die hessische SPD liegt jüngsten Umfragen zufolge deutlich hinter der CDU. Für Parteichef und Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel
geht es um viel: Der SPD-Vize tritt bereits zum dritten Mal an, um Ministerpräsident zu werden. Wird der 49-Jährige bei einem weiteren Scheitern erneut Oppositionsführer? Schwer vorstellbar.
Ein Ministeramt in einer großen Koalition schließt Schäfer-Gümbel trotz persönlicher Spannungen mit Bouffier nicht gänzlich aus. Ob mit der zerstrittenen GroKo in Berlin und dem sinkenden Vertrauen der Bürger in die großen Volksparteien ein Bündnis zwischen SPD und CDU in Hessen innerparteilich und nach außen vertretbar ist, scheint mehr als offen.
Im Schatten der BayernWahl war es für die Wahlkämpfer zwischen Kassel und Darmstadt nicht leicht, mit hessischen Themen durchzudringen. Zu übermächtig ist derzeit die Bundespolitik, aber auch die Frage, wie man mit der AfD umgehen sollte. Laut Umfragen werden die Rechtspopulisten wohl mit einem zweistelligen Ergebnis in den Landtag einziehen.
Der Umgang mit der AfD war bei den im Wiesbadener Landtag vertretenen Parteien vor der Wahl sehr unterschiedlich. Teils wurde die Alternative für Deutschland nahezu totgeschwiegen. Zuletzt wurde der Ton schärfer.
Die hessische AfD gibt sich bürgerlich-konservativ, ihre Vertreter äußern in der Endphase des Wahlkampfes aber zunehmend deutlich ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage. Als Hauptgegner haben die Rechtspopulisten die Grünen im Land und Merkel im Bund ausgemacht.