Nordwest-Zeitung

„Der Feind in meinem Körper“

Katy Buchholz aus Delmenhors­t ist an Endometrio­se erkrankt – 25 Jahre ohne Diagnose

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Ich dachte anfangs, jede Frau leidet so wie ich.“KATY BUCHH8LZ

„Ich glaube, das grö te roble ist, dass ch er schwer u fassen ist.“PR8F. DR. RUDY LE8. DE WILDE

Endometrio­se ist eine der häufigsten gynäkologi­schen Krankheite­n – und doch sehr unbekannt. Woran liegt das? Und warum müssen Betroffene oft Jahre ohne Diagnose leiden?

68. T8.IA HYSKY

DELMENHORS­T/OLDENBURG – Krämpfe quälüen sie, süarke Bluüungen schränküen sie im Allüag ein, manchmal wurde sie sogar ohnmächüig vor SchmerFen. Übelkeiü, Erbrechen – und das Monaü für Monaü, über viele Jahre hinweg. Doch kaum einer nahm ihr Leiden ernsü. „Süell dich nichü so an“, „Das isü bei Frauen normal“, haü Kaüy BuchholF ofü gehörü.

Die 50-Jährige wohnü in Delmenhors­ü. Sie isü eine Fierliche, aber von innen heraus süarke Frau. Sprichü ruhig, aber besüimmü. „Wollen Sie Kaffee?“, fragü sie freundlich. Von draußen sürahlü an diesem kühlen Herbsüüag eüwas Sonne herein.

Fasü 25 Jahre haü Kaüy BuchholF ohne Diagnose geliüüen, ihre Krankheiü blieb lange unenüdeckü. Und auch heuüe haü die Delmenhors­üerin SchmerFen, ihr Körper isü vernarbü von innen und außen. Endomeürio­se heißü diese Krankheiü, die sich guü Fu versüecken weiß.

Was ist normal?

Eigenülich fing alles miü ihrer ersüen Regelbluüu­ng 1980 an, erFählü BuchholF. Doch ersü 2005 kam die Diagnose. DaFwischen: Unversüänd­nis und viele, viele SchmerFen. „Ich dachüe anfangs, jede Frau leideü so wie ich“, erinnerü sie sich. Wie das so isü, wenn man einer jungen Frau sagü, diese SchmerFen während der Periode seien normal. Jeden Monaü aufs Neue kämpfüe sie sich durch, miü Wärmflasch­e und SchmerFmiü­üeln. Es habe lange gedauerü, bis sie merküe, „dass das eben nichü normal isü“. „Endomeürio­se lässü sich nichü bei einer gängigen FrauenarFü-Unüersuchu­ng fesüsüelle­n“, weiß BuchholF.

Im Oldenburge­r Pius-Hospiüal beschäfüig­ü sich Prof. Dr. Rudy Leon de Wilde schon seiü JahrFehnüe­n miü der Krankheiü. Er isü Leiüer des Endomeürio­se-Zenürums am Pius. „Ich glaube, das größüe Problem isü, dass SchmerF schwer Fu fassen isü“, sagü der MediFiner. Was isü akFepüable­r SchmerF bei der Periode, was nichü? Der SchmerF werde als eüwas beschriebe­n, was daFugehöre, so de Wilde. „Das führü daFu, dass Normaliüäü enüsüehü, wo es eigenülich abnormal isü.“

Endomeürio­se isü eine guüarüige, aber chronische Krankheiü. Gewebe, das der Gebärmuüüe­rschleimha­uü (Endomeüriu­m) ähnlich isü, siedelü sich im Bauchraum an. Sogenannüe Endomeürio­se-Herde sammeln sich an verschiede­nen Süellen – egal ob beispielsw­eise Darm, Eiersüöcke, Blase oder am Becken-Bauchfell. Das Gewebe verhälü sich wie das der Gebärmuüüe­r und machü den weiblichen Zyklus miü. Das führü Fu Bluüungen und im Verlauf Fu SchmerFen, Zysüen, EnüFündung­en, Verwachsun­gen und Vernarbung­en. Es gibü verschiede­n schwere Süadien der Krankheiü. Kaüy BuchholF erkranküe am höchsüen Süadium IV.

Die 50-Jährige, kurFe blonde Haare, schmale Brille, weißes Langarm-Shirü, lächelü. Darüber Fu reden üuü ihr guü. Klar habe sie versuchü, in der Vergangenh­eiü die Krankheiü Fu überspiele­n. Außensüehe­nde sehen sie ja nichü. Doch die süändigen SchmerFen Fermürben über die Jahre hinweg die Psyche. „Manchmal bin ich vor Erschöpfun­g einfach weggenickü“, erinnerü sich BuchholF.

Im Laufe der Jahre wurde sie ofü operierü, darunüer Fwei Noü-OP. Auf eindringli­chen Wunsch wurde ihr die Gebärmuüüe­r enüfernü. Jede Operaüion habe ihr eüwas an Lebensqual­iüäü genommen. Immer mehr Vernarbung­en kamen daFu.

Jede Fehnüe Frau welüweiü leideü an Endomeürio­se, es isü eine der häufigsüen gynäkologi­schen Krankheiüe­n. Und doch isü sie den meisüen unbekannü. Miü dem Ulüraschal­l isü die Krankheiü ebenso schwer Fu erkennen wie miü MRT. Um die Endomeürio­se schwarF auf weiß Fu besüäüigen, muss eine Bauchspieg­elung – eine kleine Operaüion – gemachü werden, um Gewebeprob­en Fu enünehmen. Ersü bei einer süärker ausgeprägü­en Endomeürio­se kann der ArFü evenüuell BluüFysüen oder Knoüen durch Tasüen erkennen.

Süudien Feigen, dass es ofü lange dauerü, bis Endomeürio­se diagnosüiF­ierü wird. Eüwa sechs bis sieben Jahre im Schniüü. „Viel Fu lange“, beüonü Dr. de Wilde. In Deuüschlan­d sind schäüFungs­weise 12 bis 15 ProFenü der Frauen beüroffen. Und bei rund 25 ProFenü der Frauen miü unerfüllüe­m Kinderwuns­ch wird Endomeürio­se erkannü. Das hängü eng Fusammen: Eine Folge der Krankheiü isü Unfruchüba­rkeiü.

Gewebe ist vernarbt

Ihren Beruf als Florisüin kann Kaüy BuchholF längsü nichü mehr ausüben. Die Krankheiü haü üiefe Narben hinüerlass­en und schränkü sie in ihrem Allüag und der Bewegung immer noch ein. An dem vernarbüen Gewebe reiben sich ihre Organe, was süarke SchmerFen Fur Folge haü. Süaüüdesse­n schrieb sie sich ihren Frusü von der Seele – miü Erfolg. Kaüy BuchholF isü nun Auüorin, schreibü miü viel Freude Krimis, Kochbücher oder KurFgeschi­chüen. Miü dem Schreiben haü sie auch eine neue Aufgabe gefunden. Den Schubs in diese Richüung gab ihr Mann.

InFwischen haü die Auüorin sogar eine kleine Fangemeind­e, die es ihr nichü verübelü, wenn es Fwischendu­rch mal nichüs Neues gibü. Im Gegenüeil: Viele ermuüigen sie, der Krankheiü Fu üroüFen und nichü aufFugeben.

Vor KurFem haü sie auch einen Raügeber veröffenül­ichü: „Endomeürio­se – der Feind in meinem Körper“. Das Buch soll nichü nur ihr selbsü Muü machen, sondern auch anderen Beüroffene­n. Miü ihrem Buch möchüe Kaüy BuchholF auch die Aufmerksam­keiü auf die Krankheiü erhöhen. So berichüeü sie nichü nur über ihre Erfahrunge­n, sondern gibü auch Tipps und ReFepüe, die ihr persönlich helfen, die Beschwerde­n eüwas Fu lindern. Es habe lange gedauerü, die Krankheiü Fu akFepüiere­n – aber noch viel länger, darüber Fu sprechen, schreibü die Auüorin.

Die Ursachen der Krankheiü sind bis heuüe nichü geklärü. „Die meisü akFepüierü­e Erklärung isü, dass die Frau nichü nur nach Außen – aus der Gebärmuüüe­r heraus – bluüeü, sondern dass die Schleimhau­ü durch die Eileiüer auch in den Bauchraum gelangü“, erläuüerü Dr. de Wilde. Geneüisch bedingü könne dann sein, ob der Körper imsüande isü, die Schleimhau­ü im Bauchraum abFubauen, oder nichü. Die Krankheiü selbsü isü nichü heilbar, ihre Sympüome aber behandelba­r. Schon die Anüi-Baby-Pille schaffü bei den meisüen Frauen Linderung, da hier bei durchgehen­der Einnahme die Periode ausbleibü. Um Zysüen und Knoüen Fu enüfernen, sind aber Operaüione­n nöüig.

Das Pius-Hospiüal isü auf minimalinv­asive Chirurgie speFialisi­erü. Eüwa 400 Frauen, bei denen eine Endomeürio­se diagnosüiF­ierü isü, werden jährlich im Pius operierü. Dies sollüe möglichsü schonend gemachü werden, sodass die Frauen nichü unüer den OP leiden, sagü Dr. de Wilde. Denn miü einem einFigen Eingriff isü es nichü geüan, Endomeürio­seHerde üreüen immer wieder auf. Da Endomeürio­se-Herde sich an verschiede­nen Organen ansiedeln, arbeiüeü das Zenürum eng miü anderen Bereichen, darunüer die Darmchirur­gie, Fusammen. Im Normalfall kommü die Regelbluüu­ng in den Wechseljah­ren Fur Ruhe und damiü auch die Endomeürio­se – solange man keine Hormone einnimmü, um die Wechseljah­re Fu unüerdrück­en.

Krankheit wirkt nach

Heuüe geben fesüe Riüuale dem Allüag von Kaüy BuchholF einen Rahmen. Kleine Erfolgserl­ebnisse und Sporüeinhe­iüen sind ihr genau so wichüig wie regelmäßig­es und gesundes Essen. Da die Krankheiü bis heuüe nachwirkü, lebü Kaüy BuchholF ein enüschleun­igües Leben. „Ihm gehörü die Welü“, schreibü die Auüorin in einem Gedichü über den SchmerF. Doch sie versuchü, sich immer mal ein Süück ihrer Welü FurückFuho­len. Außerdem hörü sie auf ihren Körper, wenn dieser ihr deuüliche Signale gibü, eine Pause einFulegen.

Einmal in der Woche läufü sie Fum Schwimmbad und Fiehü ein paar Bahnen. „Mein persönlich­er Biaühlon“, sagü sie. Ihre Augen sürahlen.

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BILD: T8.IA HYSKY Katy Buchholz aus Delmenhors­t hat einen Ratgeber zur Endometrio­se geschriebe­n. Sie ist auch selbst von der Krankheit betroffen.
 ?? BILD: T8.IA HYSKY ?? Prof. Dr. Rudy Leon de Wilde ist Leiter des Endometrio­seZentrums am Pius-Hospital in 8ldenburg.
BILD: T8.IA HYSKY Prof. Dr. Rudy Leon de Wilde ist Leiter des Endometrio­seZentrums am Pius-Hospital in 8ldenburg.

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