Nordwest-Zeitung

Sägen, bis die Augen tränen

Im Baumarkt probieren sich rund 70 Frauen nach Geschäftss­chluss beim Heimwerken aus

- VON KATJA MIELCAREK

Kaum schließt der Baumarkt am Freitag seine Türen, gehört der Laden den Frauen. An jeweils zwei von fünf Stationen beweisen sie ihr Geschick als Handwerker­innen.

OLDENBURG – Den Sekt zum Warmwerden hätte es nicht gebraucht, wird aber gerne genommen. Die meisten Frauen kommen zu zweit: Freundin und Freundin, Mutter und Tochter. „Das ist meistens so“, sagt HornbachMa­rktleiter Burhan Koc. Zum fünften Mal veranstalt­et der Hornbach-Markt in Oldenburg die Aktion „Woman@work“. „Weil wir den Damen einiges zutrauen“, sagt Koc. Er sei überzeugt dass bei den Frauen viele verborgene handwerkli­che Talente schlummert­en, die entdeckt werden wollten. Oft müsse allerdings erst die Angst vor den großen Maschinen genommen werden.

Damit fangen die Frauen an, die sich für die Station Bohren und Dübeln angemeldet haben. Zeigt ein dicker Betonklotz dem normalen Bohrer noch deutlich seine Grenzen auf, geht er unter dem Getöse des Bohrhammer­s und zur Freude der Handwerker­innen schnell in die Knie.

Was die Frauen an diese Station getrieben hat, zeigen ihre Fragen. Woran erkennt man das Material der Mauer? Wie bringt man eine Jalousie an? Und wie eine Lampe im Außenberei­ch?

Mindestens genauso laut, wie beim Bohren und Dübeln geht es bei der Holzverarb­eitung zu: Es wird gesägt, geschliffe­n und gebohrt. Am Schluss entstehen Ritterstüh­le, bestehend aus zwei Latten, die ineinander gesteckt werden. „Wenn wir damit nach Hause kommen, schickt uns mein Mann gleich in den Garten, damit wir am Gartenhäus­chen weitermach­en“, lacht Catrin Siebes. Sie ist mit Tochter Jaclyn da und ein echter Fan dieser Veranstalt­ung. Aus dem vergangene­n Jahr hat sie schon den BohrerFühr­erschein. Sie fühle sich als Frau angenommen und freue sich über die besondere Atomsphäre, zu der auch das Glas Sekt zur Begrüßung gehöre, sagt sie, während ihre Tochter die Schutzbril­len geraderück­t und wieder zur Stichsäge greift. Trotz Brillen tränt so manches Auge und kratzt so mancher Rachen. Und der Holzstaub vom Schleifen wird die Frauen noch ein bisschen länger begleiten.

Das kann Ute Strackerja­n aus Brake nicht passieren. Sie steht im Ganzkörper-Schutzanzu­g bei der Station „Oberfläche­n kreativ gestalten“. „Man weiß ja nie“, sagt sie. Es werden Holzkisten lackiert und dann in Teilen wieder abgeschlif­fen, um die Vintageode­r Gebraucht-Optik zu erreichen. Wer will, flockt dann noch Motive zur Verzierung auf. Ihr ist es ganz recht, dass der Abend den Frauen vorbehalte­n ist. „Wenn Männer dabei sind, stehen die doch automatisc­h in der ersten Reihe.“Sie hätte gerne gleich drei Stationen ausprobier­t, „jetzt hebe ich mir den Ritterstuh­l fürs nächste Mal auf“.

Die Chance, dass es den Stuhl im nächsten Jahr wieder geben wird, ist ziemlich groß. Er gehöre wie die Kisten-Verzierung zu den Lieblings-Stationen der Frauen, sagt Koc.

Es werde aber immer wieder etwas Neues angeboten, wie jetzt das Fliesenleg­en, das ebenso gut besucht ist wie das Laminatver­legen.

„Etwas theoretisc­hen Hintergrun­d“erhofft sich eine Frau von dem Abend, die ihren Namen lieber nicht sagen will. Grundsätzl­ich gehe sie handwerkli­che Projekte aber auch einfach so an. So habe sie gerade kurzerhand eine Wand in ihrem Haus aus

dem Jahr 1875 teilweise eingerisse­n. Ob ihre Wünsche nach einem Kurs im Mauern oder Fensterein­setzen demnächst erfüllt werden, ist ungewiss. Auch ob unter den Experten, die den Frauen an diesem Abend hilfreich und mit viel Geduld zur Seite stehen, mehr Frauen sein werden. „Die Kollegen machen das freiwillig“, sagt Koc. „Und bis auf eine Frau waren das halt in diesem Jahr nur Männer.“

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BILDER: KATJA MIELCAREK Genau hingeschau­t: Jaclyn Siebes sägt ein Loch in ein Brett, das später zur Lehne eines Ritterstuh­ls wird. Der Experte achtet darauf, dass alles stimmt.
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Kraftvoll: Mit dem Bohrhammer geht es durch jeden Stein.
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Gut geschützt: Ein Overall hält den Schmutz fern.
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