Sitzen Belgier bald im Dunkeln?
Atomkraftwerke unseres Nachbarn machen Probleme
Deutschland will Belgien in der Krise zur Seite stehen. Allerdings gibt es dabei noch ein Problem.
BRÜSSEL – 17 Uhr, es ist fast dunkel. Spätestens jetzt geht überall das Licht an. Was in Deutschland selbstverständlich ist, könnte im Nachbarland Belgien zum Problem werden. Dort fallen derzeit fast alle Atommeiler wegen Problemen oder Wartung aus. Der Strom wird knapp, zwischenzeitlich stand sogar das große Wort „Blackout“im Raum. Der November gehört nach Angaben des Netzbetreibers Elia zu den kritischsten Monaten. Noch brennt das Licht – aber sitzen die Belgier bald im Dunkeln?
Die belgischen Atomkraftwerke sind schon lange umstritten. Seit Jahren gibt es vor allem in Deutschland große Sorge über den Zustand der sieben Reaktoren. Feine Risse hier, maroder Beton da – immer wieder gibt es Probleme an den beiden Standorten in Tihange und Doel. Regelmäßig werden Meiler für Reparaturen abgeschaltet. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fordern die Stilllegung der Anlagen. Tihange liegt nur rund 70 Kilometer von Aachen entfernt.
Wochenlang lief zuletzt nur ein einziger der sieben Meiler: Doel 3, 1982 ans Netz gegangen, mit einer Leistung von 1006 Megawatt – alle anderen waren wegen Wartungs- oder Reparaturarbeiten abgeschaltet. Netzbetreiber Elia warnte vor einigen Wochen eindringlich: Sollten nicht zusätzlich mindestens 1600 Megawatt besorgt werden, könne man nicht für die Versorgungssicherheit des Landes garantieren.
Inzwischen gibt Elia-Sprecher Tom Demeyer Entwarnung. Anfang November sei es zeitweise kritisch gewesen, räumt er ein. Durchschnittlich rund 50 Prozent des belgischen Stroms werden dem Kraftwerk-Betreiber Engie zufolge eigentlich in den Akw Doel und Tihange produziert. Am Montag ging nun der Reaktor Tihange 1 wieder ans Netz – eine Woche früher als geplant. Zwei von sieben Meilern laufen wieder. „Bislang haben wir keinen EnergieEngpass ausgemacht, aber jedes zusätzliche Megawatt ist willkommen“, sagte Demeyer kürzlich.
Zusätzliche Megawatt sollen auch aus Deutschland kommen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der belgischen Energieministerin Marie-Christine Marghem jüngst zu, Belgien zur Seite zu stehen. Es sei selbstverständlich, dass Deutschland und andere EUNachbarn Unterstützung leisteten.
Allerdings gibt es bislang noch keine Direktleitung zwischen Deutschland und Belgien, der Strom muss einen Umweg über die Niederlande nehmen. Spätestens 2020 soll sich das ändern. Ende Mktober war Baustart der ersten deutsch-belgischen Strombrücke. Die Verbindung geht von NRW in die Provinz Lüttich.