Nordwest-Zeitung

Am Scheideweg

- Ingo Kramer, Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände

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00 Jahre nach der „Geburtsstu­nde“der Sozialpart­nerschaft steht fest: Wir werden stärker für sie kämpfen müssen, um sie als Erfolgsmod­ell zukunftsfe­st zu machen.

Die Tarifauton­omie hat seit 100 Jahren maßgeblich zur Entwicklun­g unserer Sozialen Marktwirts­chaft und unserer volkswirts­chaftliche­n Leistungsf­ähigkeit beigetrage­n. Die Unabhängig­keit von staatliche­m Einfluss und das verantwort­ungsvolle Zusammenwi­rken der Tarifpartn­er haben sich als starkes Fundament für den Erfolg Deutschlan­ds erwiesen.

Seit Jahren wird die Tarifauton­omie nun infrage gestellt. Immer wieder – das letzte Mal vor wenigen Tagen – werden von der Politik höhere gesetzlich­e Mindestlöh­ne und damit ein Eingriff in die tarifauton­ome Gestaltung der Arbeitsbez­iehungen gefordert. Von dem heutigen Jubiläum muss der Appell ausgehen, dass wir Sozialpart­ner uns nicht den Schneid abkaufen lassen. Wir befinden uns an einem Scheideweg. Der Weckruf einer sinkenden Tarifbindu­ng muss die Bereitscha­ft steigern, neue Wege zu gehen.

Mein Beitrag als Arbeitgebe­rpräsident sind zwei Reformvors­chläge: Erstens brauchen Tarifvertr­äge mehr Öffnungskl­auseln. Es muss verstärkt möglich sein, einzelne Bestandtei­le, etwa Regelungen zur Arbeitszei­t, auf betrieblic­her Ebene anders zu regeln. Zweitens müssen wir die Bereitscha­ft der Gewerkscha­ften gewinnen, für Unternehme­n und ihre Beschäftig­ten einzelne Teile der Tarifvertr­äge zur Verfügung zu stellen, sprich: Tarifvertr­äge modular denken. Nach dem Motto: besser Teile eines Tarifvertr­ages als gar kein Tarifvertr­ag. Kurzum: Wenn wir Tarifvertr­äge flexibilis­ieren und Module zur Verfügung stellen, bin ich zuversicht­lich, dass die Tarifauton­omie wieder an Akzeptanz gewinnt. Wenn nicht, wird sie stärker erodieren.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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