Am Scheideweg
1
00 Jahre nach der „Geburtsstunde“der Sozialpartnerschaft steht fest: Wir werden stärker für sie kämpfen müssen, um sie als Erfolgsmodell zukunftsfest zu machen.
Die Tarifautonomie hat seit 100 Jahren maßgeblich zur Entwicklung unserer Sozialen Marktwirtschaft und unserer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beigetragen. Die Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss und das verantwortungsvolle Zusammenwirken der Tarifpartner haben sich als starkes Fundament für den Erfolg Deutschlands erwiesen.
Seit Jahren wird die Tarifautonomie nun infrage gestellt. Immer wieder – das letzte Mal vor wenigen Tagen – werden von der Politik höhere gesetzliche Mindestlöhne und damit ein Eingriff in die tarifautonome Gestaltung der Arbeitsbeziehungen gefordert. Von dem heutigen Jubiläum muss der Appell ausgehen, dass wir Sozialpartner uns nicht den Schneid abkaufen lassen. Wir befinden uns an einem Scheideweg. Der Weckruf einer sinkenden Tarifbindung muss die Bereitschaft steigern, neue Wege zu gehen.
Mein Beitrag als Arbeitgeberpräsident sind zwei Reformvorschläge: Erstens brauchen Tarifverträge mehr Öffnungsklauseln. Es muss verstärkt möglich sein, einzelne Bestandteile, etwa Regelungen zur Arbeitszeit, auf betrieblicher Ebene anders zu regeln. Zweitens müssen wir die Bereitschaft der Gewerkschaften gewinnen, für Unternehmen und ihre Beschäftigten einzelne Teile der Tarifverträge zur Verfügung zu stellen, sprich: Tarifverträge modular denken. Nach dem Motto: besser Teile eines Tarifvertrages als gar kein Tarifvertrag. Kurzum: Wenn wir Tarifverträge flexibilisieren und Module zur Verfügung stellen, bin ich zuversichtlich, dass die Tarifautonomie wieder an Akzeptanz gewinnt. Wenn nicht, wird sie stärker erodieren.
@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de