Nordwest-Zeitung

Iis zum 29. März 2019 kann noch einiges schiefgehe­n

Was im britischen Scheidungs­abkommen steht – Und was jetzt als nächstes passiert

- VON VERENA SCHMITTROS­CHMANN

BRÜSSEL/LONDON – Gelingt ein sanfter Brexit ohne großes Chaos für Bürger und Unternehme­n? Nach nervenaufr­eibenden Verhandlun­gen steht zumindest endlich ein Text für das Abkommen über den britischen EU-Austritt. Ein „guter Deal“für Großbritan­nien sei das, sagte Premiermin­isterin Theresa May am Mittwoch. In London bekam sie zwar sofort Gegenwind – doch die erste Runde ging am Abend an May: Nach einer schier endlosen Sitzung billigte ihr Kabinett den Deal. Wenn es aber wirklich klappen soll mit einer gütlichen Trennung, muss bis zum 29. März 2019 noch viel passieren. Und es kann noch einiges schiefgehe­n.

Was ist jetzt überhaupt neu

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Experten von EU und Großbritan­nien haben sich auf den Text eines Scheidungs­abkommens geeinigt. Wird es von allen politische­n Ebenen abgesegnet, ist der Weg frei für eine geordnete Trennung. Der Vertrag soll eine Übergangsf­rist bis Ende 2020 bringen, in der sich fast nichts ändert und in der beide Seiten in Ruhe ihre künftigen Beziehunge­n regeln können.

Das Abkommen verspricht unter anderem Rechtssich­erheit, dass EU-Bürger in Großbritan­nien und Briten auf dem Kontinent auch nach dem Brexit weitgehend wie bisher weiterlebe­n können. Außerdem ist eine Schlussrec­hnung für britische Zahlungen an die EU vereinbart, die sich über einige Jahre hinweg auf geschätzt um die 45 Milliarden Euro belaufen sollen. Dritter zentraler Punkt: An der der Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland soll es auch künftig keine Kontrollen oder Schlagbäum­e geben, um keine Unruhen durch eine Teilung der Insel zu riskieren. Was war denn das Problem ?

Vieles war bereits in Eckpunkten vor einem Jahr vereinbart. Bis zuletzt umstritten war dagegen die Irland-Frage, obwohl man auch dafür im Dezember 2017 eine Lösung gehabt zu haben glaubte. Damals war vereinbart: Nordirland sollte – wenn man keine bessere Lösung findet – auch nach dem Austritt Großbritan­niens aus dem EU-Binnenmark­t und der Europäisch­en Zollunion eng an die EU-Regeln angebunden bleiben, damit man Waren und Menschen nicht an der neuen EU-Außengrenz­e zu Irland kontrollie­ren muss. Diese Absprache, die von der EU und Großbritan­nien unterschie­dlich ausgelegt wurde, hielt aber nicht. Vor allem die nordirisch­e Partei DUP, die die britische Regierung stützt, wollte einen Sonderstat­us für Nordirland unter allen Umständen vermeiden, um nicht vom Rest Großbritan­niens abgekoppel­t zu werden.

Worin besteht jetzt die Einigung

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Nach dem, was bisher bekannt ist, soll Großbritan­nien notfalls und vorläufig nach der Übergangsf­rist als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleiben. Gemeinsame Standards sollen sichern, dass sich die Briten keine unfairen Standortvo­rteile verschaffe­n oder mit importiert­en Billigware­n durch die Hintertür Irland den EU-Binnenmark­t fluten – denn den will Großbritan­nien ja nach der Übergangsp­hase verlassen, um wirtschaft­lich freie Hand zu bekommen. Wie bisher schon soll es einige Sonderrege­ln für Nordirland geben, etwa für Lebensmitt­elkontroll­en zum Seuchensch­utz.

Das alles ist eine Notfallbez­iehungswei­se Garantiekl­ausel, im Englischen „Backstop“genannt. Sie gilt für den Fall, dass man bei der Gestaltung der künftigen Beziehunge­n zwischen der EU und Großbritan­nien keine bessere Lösung findet. Die Bedingunge­n dieser künftigen Partnersch­aft sind offen. Dazu soll vor dem Austritt nur eine recht knappe politische Erklärung beschlosse­n werden. Der Vertrag soll in der Übergangsp­hase ausgehande­lt werden.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Brexit

?

Nach einer Zustimmung des britischen Kabinetts beraten in Brüssel in den nächsten Tagen die EU-Staaten über den Vertragste­xt. Schon am Montag, 19. November, sollen die Europa-Minister zusammenko­mmen. Halten sie und EUUnterhän­dler Michel Barnier die Ergebnisse für ausreichen­d, könnte EU-Ratschef Donald Tusk zum Brexit-Sondergipf­el am oder kurz nach dem 25. November laden. Danach folgt die größte Hürde: die Abstimmung im britischen Parlament.

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