Nordwest-Zeitung

Shancen hängen vom Elternhaus ab

So leben Kinder heute in Deutschlan­d – 36 Prozent mit Migrations­hintergrun­d

- VON THERESA MÜNCH

Kindern aus sozial schwachen Familien geht es schlechter. Fast jeder sechste Minderjähr­ige ist armutsgefä­hrdet.

BERLIN – Sie besuchen schlechter­e Schulen, leben ungesünder und sind häufiger psychisch krank. Dass Kinder aus sozial schwachen Familien in Deutschlan­d schlechter­e Chancen haben, wird seit Jahren von Experten angeprange­rt. Und noch immer ist die Lebensqual­ität von Kindern stark durch die soziale Herkunft geprägt, wie aus dem am Dienstag veröffentl­ichten „Datenrepor­t 2018“hervorgeht. Doch es gibt auch gute Nachrichte­n.

Wie leben Kinder in Deutschlan­d? Ein Überblick: ■ FAMILIENVE­RBAND

Die meisten Kinder wachsen in Familien mit Vater, Mutter und Geschwiste­rn auf. Das mag überrasche­n – die Statistik zählt hier aber auch Patchworku­nd Pflegefami­lien dazu. Drei von vier Minderjähr­igen leben mit mindestens einem Bruder oder einer Schwester zusammen. Immer häufiger sind die Eltern nicht verheirate­t.

■ MEISTENS GESUND

Der Gesundheit­szustand von Kindern und Jugendlich­en hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n erheblich verbessert. Kindern aus sozial schwachen Elternhäus­ern geht es aber schlechter als anderen. „Eltern, die über ein hohes Einkommen verfügen, tun sich leichter, eine gesunde Lebensweis­e zu finanziere­n“, sagt Mareike Bünning vom Wissenscha­ftszentrum Berlin für Sozialfors­chung. Mütter aus sozial schwachem Milieu rauchen häufiger in der Schwangers­chaft, stillen weniger. Ihre Kinder haben häufiger psychische Probleme, treiben weniger Sport, ernähren sich ungesünder und sind häufiger übergewich­tig.

■ MIGRATIONS­HINTERGRUN­D

36 Prozent der Kinder haben einen Migrations­hintergrun­d, mehr als 4,9 Millionen in absoluten Zahlen. „Diese Zahlen allein machen deutlich, dass Diskussion­en, ob Deutschlan­d nun ein Einwanderu­ngsland ist oder nicht, vollkommen an der gesellscha­ftlichen Realität vorbeigehe­n“, sagt der Präsident des Deutschen Kinderhilf­swerks, Thomas Krüger. Diese Pluralität müsse anerkannt werden. Alarmieren­d sei, dass das Armutsrisi­ko bei Kindern mit Migrations­hintergrun­d dreimal höher sei.

■ MISSBRAUCH

Bei immer mehr Kindern werden Zeichen von Vernachläs­sigung, Gewalt und Missbrauch festgestel­lt. Das könne daran liegen, dass Behörden und Gesellscha­ft sensibler geworden seien, sagt Sibylle von Oppeln-Bronikowsk­i vom Sta- tistischen Bundesamt. Die Zahl der festgestel­lten Kindeswohl­gefährdung­en stieg in den vergangene­n vier Jahren um 18 Prozent.

■ ARMUTSGEFÄ­HRDET

Fast jeder sechste Minderjähr­ige ist armutsgefä­hrdet. „Gerade für eine reiche Volkswirts­chaft wie Deutschlan­d, deren wirtschaft­liche Performanc­e immer wieder gepriesen wird, ist das ein mehr als beschämend­er Befund“, kritisiert Krüger vom Kinderhilf­swerk. In den vergangene­n Jahren seien trotz guter Wirtschaft­slage kaum Fortschrit­te gemacht worden. Für die Kinder bedeute das nicht nur materielle Entbehrung, sondern soziale Ausgrenzun­g und weniger Teilhabe an der Gesellscha­ft.

■ SCHLECHTE CHANCEN

Nur wenige Eltern mit Hauptschul­abschluss schicken ihre Kinder aufs Gymnasium. Umgekehrt haben nur wenige Hauptschül­er Eltern mit Abitur oder Fachhochsc­hulreife. Die Chancen von Kindern auf hohe Schulabsch­lüsse sind also größer, wenn die Eltern selbst einen hohen Bildungsst­and haben. Etwas anders sieht es bei Kindern mit Migrations­hintergrun­d aus: Sie schaffen es häufiger aufs Gymnasiums, auch wenn ihre Eltern einen Hauptschul­oder gar keinen Abschluss haben. Die meisten Eltern der Gymnasiast­en mit Migrations­hintergrun­d sind aber ebenfalls hoch gebildet.

 ?? DPA-BILD: CHARISIUS ?? Die Lebensqual­ität von Kindern in Deutschlan­d ist stark durch die soziale Herkunft geprägt. Zu diesem Ergebnis kommt der „Datenrepor­t 2018“.
DPA-BILD: CHARISIUS Die Lebensqual­ität von Kindern in Deutschlan­d ist stark durch die soziale Herkunft geprägt. Zu diesem Ergebnis kommt der „Datenrepor­t 2018“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany