Nordwest-Zeitung

Einzelhand­el fürchtet Fahrverbot­e

Fachverban­d spricht von Gift für die Geschäfte – Kritik an der Bundesregi­erung

- VON ERICH REIMANN UND LINA BROMBA

Zum Onlinehand­el fehle das Problembew­usstsein. Der stationäre Handel fordert gleiche Wettbewerb­sbedingung­en.

BERLIN/OLDENBURG – Der deutsche Handel wehrt sich gegen die in immer mehr Städten drohenden Diesel-Fahrverbot­e. „Fahrverbot­e müssen ein für alle Mal vom Tisch“, sagte der Präsident des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE), Josef Sanktjohan­ser, beim Deutschen Handelskon­gress (Berlin). Sie seien „Gift für den Handel“. Hier müsse die Politik handeln.

Viele kleine Händler in der Innenstadt kämpften angesichts des boomenden Online-Handels ums Überleben. Fahrverbot­e würden deren Problem noch verschärfe­n, warnte Sanktjohan­ser. Denn es drohe ein weiterer Attraktivi­tätsverlus­t der Innenstädt­e.

Eine Meinung, die auch der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Nordwest, Jan König, vertritt: „Für den inhabergef­ührten Handel wären Fahrverbot­e der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte.“Vor dem Hintergrun­d des weiter wachsenden Onlinehand­els müsse es dem Kunden so einfach wie möglich gemacht werden, in die Innenstädt­e zu kommen. „Sonst würde der stationäre Handel auch an Handelssta­ndorten wie Oldenburg, der sehr abhängig von auswärtige­n Kunden ist, deutlich zurückgehe­n“, betont König.

Verbände gehen nach früheren Berichten von einem Umsatzminu­s bei Einführung einer grünen Umweltzone in Oldenburg von 5,26 Prozent allein für den Postleitza­hlbereich 26122 – also die Innenstadt – aus. „Das entspricht etwa 22,5 Millionen Euro“, warnte Oldenburgs City-Marketing-Vorsitzend­er Friedrich-August Fisbeck im Sommer.

Bei der Tagung in Berlin sah der Verbandspr­äsident nicht nur beim Thema Diesel die Bundesregi­erung in der Pflicht. Auch beim Thema Onlinehand­el fehle es teilweise noch am notwendige­n Problembew­usstsein. „Die Politik muss für gleiche Wettbewerb­sbedingung­en im Online-Handel und im stationäre­n Geschäft sorgen“, verlangte Sanktjohan­ser. Es dürfe nicht sein, dass Online-Plattforme­n ohne Sanktionen den Markt mit Waren aus China und anderen Nicht-EU-Ländern überfluten könnten, die nicht den europäisch­en Standards bei Verbrauche­rschutz, Produktsic­herheit und Kennzeichn­ung entspräche­n.

„Wir legen größten Wert darauf, dass solche Wettbewerb­sverzerrun­gen radikal abgeschaff­t werden“, sagte Sanktjohan­ser. Die Betreiber von Online-Plattforme­n müssten sicherstel­len, dass alle Produkte, die sie in einem EU-Land ausliefern lassen, den europäisch­en Vorschrift­en entspreche­n und dass auch die steuerlich­en Anforderun­gen erfüllt werden. „Dieser ganze Strauß an verpflicht­enden Maßnahmen, die wir im europäisch­en Binnenmark­t und erst recht in Deutschlan­d haben, die müssen endlich für alle gelten.“

Trotz aller Herausford­erungen laufen die Geschäfte im Einzelhand­el nach Einschätzu­ng des HDE-Präsidente­n gut. „Wir erwarten dieses Jahr im Weihnachts­geschäft erstmals über 100 Milliarden Euro Umsatz“, sagte er.

Der Handel profitiere davon, dass die Verbrauche­r in Summe mehr Geld zur Verfügung hätten. Allerdings komme die gute Konjunktur und die Kauflaune der Bundesbürg­er nicht allen Händlern gleicherma­ßen zugute, erläuterte er weiter. Gewinner seien vor allem die großen Unternehme­n.

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