Einzelhandel fürchtet Fahrverbote
Fachverband spricht von Gift für die Geschäfte – Kritik an der Bundesregierung
Zum Onlinehandel fehle das Problembewusstsein. Der stationäre Handel fordert gleiche Wettbewerbsbedingungen.
BERLIN/OLDENBURG – Der deutsche Handel wehrt sich gegen die in immer mehr Städten drohenden Diesel-Fahrverbote. „Fahrverbote müssen ein für alle Mal vom Tisch“, sagte der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, beim Deutschen Handelskongress (Berlin). Sie seien „Gift für den Handel“. Hier müsse die Politik handeln.
Viele kleine Händler in der Innenstadt kämpften angesichts des boomenden Online-Handels ums Überleben. Fahrverbote würden deren Problem noch verschärfen, warnte Sanktjohanser. Denn es drohe ein weiterer Attraktivitätsverlust der Innenstädte.
Eine Meinung, die auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nordwest, Jan König, vertritt: „Für den inhabergeführten Handel wären Fahrverbote der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte.“Vor dem Hintergrund des weiter wachsenden Onlinehandels müsse es dem Kunden so einfach wie möglich gemacht werden, in die Innenstädte zu kommen. „Sonst würde der stationäre Handel auch an Handelsstandorten wie Oldenburg, der sehr abhängig von auswärtigen Kunden ist, deutlich zurückgehen“, betont König.
Verbände gehen nach früheren Berichten von einem Umsatzminus bei Einführung einer grünen Umweltzone in Oldenburg von 5,26 Prozent allein für den Postleitzahlbereich 26122 – also die Innenstadt – aus. „Das entspricht etwa 22,5 Millionen Euro“, warnte Oldenburgs City-Marketing-Vorsitzender Friedrich-August Fisbeck im Sommer.
Bei der Tagung in Berlin sah der Verbandspräsident nicht nur beim Thema Diesel die Bundesregierung in der Pflicht. Auch beim Thema Onlinehandel fehle es teilweise noch am notwendigen Problembewusstsein. „Die Politik muss für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Online-Handel und im stationären Geschäft sorgen“, verlangte Sanktjohanser. Es dürfe nicht sein, dass Online-Plattformen ohne Sanktionen den Markt mit Waren aus China und anderen Nicht-EU-Ländern überfluten könnten, die nicht den europäischen Standards bei Verbraucherschutz, Produktsicherheit und Kennzeichnung entsprächen.
„Wir legen größten Wert darauf, dass solche Wettbewerbsverzerrungen radikal abgeschafft werden“, sagte Sanktjohanser. Die Betreiber von Online-Plattformen müssten sicherstellen, dass alle Produkte, die sie in einem EU-Land ausliefern lassen, den europäischen Vorschriften entsprechen und dass auch die steuerlichen Anforderungen erfüllt werden. „Dieser ganze Strauß an verpflichtenden Maßnahmen, die wir im europäischen Binnenmarkt und erst recht in Deutschland haben, die müssen endlich für alle gelten.“
Trotz aller Herausforderungen laufen die Geschäfte im Einzelhandel nach Einschätzung des HDE-Präsidenten gut. „Wir erwarten dieses Jahr im Weihnachtsgeschäft erstmals über 100 Milliarden Euro Umsatz“, sagte er.
Der Handel profitiere davon, dass die Verbraucher in Summe mehr Geld zur Verfügung hätten. Allerdings komme die gute Konjunktur und die Kauflaune der Bundesbürger nicht allen Händlern gleichermaßen zugute, erläuterte er weiter. Gewinner seien vor allem die großen Unternehmen.