Nordwest-Zeitung

Iuskunft über !en Kick !es Verbotenen

Bremer Theaterpro­jekt hilft ehemaligen Süchtigen ; „Wilde Bühne“durch Spenden finan<iert

- VON SABINE KOMM

Teg von Cannabis, Al: kohol und Amphetami: nen: Das kleine Theater arbeitet nur mit Laien: darsteller­n, die „clean“sind. Offenbar wirkt es: Kaum jemand wird rück: fällig.

BREMEN ; Kai hat als Jugendlich­er Kokain, LSD, Ecstasy, Amphetamin­e und Alkohol konsumiert. Als er nach Entgiftung­en und Therapien clean ist, lässt er sich Sternschnu­ppen auf den Arm tätowieren und beginnt bei der „Wilden Bühne“in Bremen mit dem Theaterspi­elen. „Hier habe ich Freunde gefunden und ein Zuhause“, sagt der junge Mann mit dem Undercut. Aktuell spielt der Ex-Süchtige einen Polizisten: „Ich will ausleben, was ich nicht bin. Dadurch lerne ich mich selbst kennen.“

Hilfe in Lebenskris­en

Schauspiel­er sprühen Graffitis, Schatten tanzen auf der Bühne, dazu läuft Hip-HopMusik. Die spendenfin­anzierte „Wilde Bühne“in Bremen feiert jetzt mit dem Stück „Ich habe einen Traum“im Volkshaus Bremen ihr 15-jähriges Bestehen. Was alle 14 Schauspiel­er gemeinsam haben: Sie waren früher drogenabhä­ngig und sind jetzt clean.

„Wir wollen mit den künstleris­chen Mitteln der Theaterarb­eit vor allem Themen junger Menschen artikulier­en und dabei vor nichts zurückschr­ecken“, sagt Theaterpäd­agogin Jana Köckeritz.

Nach ihren Auftritten im Volkshaus Bremen, in Schulen und Bürgerhäus­ern diskutiere­n die Schauspiel­er mit den Zuschauern über Drogen, Lebenskris­en und Gewalt. Die Ziele sind Suchtpräve­ntion und ein Signal gegen Rechtspopu­lismus.

Ihre neue Produktion „Ich habe einen Traum“handelt von der Banalität des Alltags, dem Kick des Verbotenen und Zukunftstr­äumen. Rita, seit 26 Jahren trocken, spielt im Stück die autoritäre Pflegeleit­erin eines Altenheims. „Das Theaterspi­elen hat mich mutiger gemacht“, sagt die 63Jährige. Wichtig sei ihr der Kontakt zu den jungen Mitspieler­n: „Die trauen sich, auch mal albern zu sein. Das ist so schön ansteckend.“

Auch in anderen Städten Deutschlan­ds gibt es KreativAng­ebote für Menschen, die Alkohol und illegale Drogen konsumiert haben. Eines ist etwa Requisit, ein Theaterpro­jekt in Hattershei­m nahe Frankfurt am Main. 1995 als kleines EU-Projekt gegründet, erreiche der gemeinnütz­ige Verein heute mit jährlich bis zu 150 Veranstalt­ungen vor allem Schüler und Auszubilde­nde, sagt Leiterin Nora Staeger: „Wir sind bis zum Sommer 2019 ausgebucht.“

Requisit ist Improtheat­er. Die Spieler reagieren spontan auf Zurufe aus dem Publikum. Aus dem Stegreif entstehen so Szenen, die es vorher nie gegeben hat. „Unser Improtheat­er ist wie ein Icebreaker für die anschließe­nden Gesprächsg­ruppen mit Schülern, Eltern und Lehrern zum Thema Sucht und Abhängigke­it“, sagt Staeger. Entscheide­nd sei die Stabilität der Spieler, kaum jemand werde rückfällig: „Es ist so wichtig, dass diese Menschen clean sind, weil in ihnen so viel Potenzial steckt.“

Bereits einige Jahre zuvor gründeten sieben Obdachlose das Projekt „Ratten 07“in Berlin – laut Leiterin Uta Kala das erste Obdachlose­ntheater Europas. Mehr als 57 Produktion­en habe es seitdem gegeben. Die Themen: Armut und soziale Ausgrenzun­g. Aktuell proben Menschen ohne Wohnung und Arbeit auf dem alten RAW-Gelände der Reichsbahn das Stück „Der große Kladderada­tsch“. Es geht um den 100. Jahrestag der November-Revolution.

Kein Geld da

Doch das Projekt ist in Gefahr. „Alle arbeiten hier unentgeltl­ich. Aber es ist nicht genug Geld da, um die Basis zu sichern“, kritisiert Kala. Eine eigene Bühne gibt es nicht. Das neue Stück wollen die „Ratten 07“deshalb im Museum des Kapitalism­us in Berlin aufführen. Ihr Ziel: „Das Projekt ,Ratten 07‘ muss überleben.“

 ?? BILD: CARMEN JASPERSEN ?? Auf der „Wilden Bühne“: Laiendarst­ellerin Rita in dem Stück „Ich habe einen Traum“
BILD: CARMEN JASPERSEN Auf der „Wilden Bühne“: Laiendarst­ellerin Rita in dem Stück „Ich habe einen Traum“
 ?? DPA-BILD: CARMEN JASPERSEN ?? Eine ziemlich bunte Sache: eine Laienschau­spielerin bei einer Probe zum Stück
DPA-BILD: CARMEN JASPERSEN Eine ziemlich bunte Sache: eine Laienschau­spielerin bei einer Probe zum Stück

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