Rätsel um die „Schattenarmee“
Gi,t es Netze rechtsextremer Soldaten, Polizisten und Geheimdienstler?
Experten warnen vor Ü,erspitzungen, die Opposition fordert Aufkl7rung. Es geht auch um die 8l9chtlingskrise.
BERLIN – Calw in Baden-Württemberg, Graf-Zeppelin-Kaserne: Am 15. September 2017 rückt das Bundeskriminalamt (BKA) an und will in der Kaserne des Kommandos Spezialkräfte (KSK) drei Soldaten als Zeugen vernehmen. Es geht um Franco A., jenen Oberleutnant, der sich eine Identität als syrischer Flüchtling verschafft hat, durch eine auf dem Flughafen Wien versteckte Pistole aufgeflogen ist und laut Anklage aus rechtsextremer Gesinnung einen Anschlag geplant haben soll. Er soll über Chatgruppen oder auch persönlich Kontakt zu KSK-Soldaten gehabt haben.
Doch der Polizeieinsatz wird vorher bekannt. Die Durchsuchung soll durchgestochen worden sein. Vor dem Amtsgericht Köln ist deswegen nun ein Oberstleutnant des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) wegen Geheimnisverrats angeklagt. In seiner Vernehmung durch die MAD-Wehrdisziplinaranwaltschaft bestreitet er das aber vehement. Er sei selbst vom Vorgehen des BKA überrascht gewesen. Zur Vernehmung geladen war auch eine „Auskunftsperson“des MAD im KSK. Die Details sollen in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht aufgeklärt werden. Der Termin steht noch nicht fest.
Dunkle Flecken
Die KSK-Einheit ist militärische Elite und genießt über die Bundeswehr hinaus großes Ansehen. Es gibt auch dunkle Flecken, wie eine Abschiedsfeier im April 2017 für einen Kompaniechef, bei der rechtsextremistische Musik gehört und der Hitlergruß gezeigt worden sein soll. Deswegen hat ein Gericht inzwischen einen Strafbefehl erlassen. Mit den Ermittlungen zu Franco A. hat dies jedoch nichts zu tun.
Diese Ermittlungen wegen des Terrorverdachts reichen aber bis nach MecklenburgVorpommern, wo die Polizei im August 2017 Wohnungen und Büros von sechs „Preppern“(von engl. prepare) durchsucht. „Prepper“bereiten sich mit Vorräten auf schwere Krisen oder einen Zusammenbruch staatlicher Strukturen vor – teils kalkulieren sie dabei auch den Einsatz von Schusswaffen ein. Die Verdächtigten im Norden – darunter ein Polizist, ein Rechtsanwalt und ein Bundeswehr-Reservist – sollen sich zur Gruppe „Nordkreuz“zusammengeschlossen haben. BKA-Ermittler haben dazu Zeugen vernommen.
In den Vernehmungsprotokollen machen Zeugen Angaben zu mehreren Chatgruppen, in denen Szenarien für den Fall eines Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung diskutiert werden. Als Auslöser für eine solche Situation werden eine Zunahme von Anschlägen und die weitgehend unkontrollierte Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge angenommen.
Gab es Todeslisten?
Geprüft wird von den Ermittlern der Verdacht, es gebe „Todeslisten“mit den Namen politischer Gegner aus dem linken Spektrum. Allein: Die Ermittlungen laufen noch; gerichtsfeste Beweise fehlen. In Berichten mehrerer Medien ist ein ungeheurer Vorwurf öffentlich geworden: Gab es Vorbereitungen für eine rechtsextreme „Schattenarmee“, die auf einen „Tag N“eingestellt ist und Morde an politischen Gegnern in Planspiele einbezieht?
Nach den Berichten von „taz“und „Focus“steht auch der Verein Uniter e.V. im Blick, ein Zusammenschluss von Leuten aus dem staatlichen und privaten Sicherheitsbereich, der Diskussionsrunden zu dem Thema und eine Art Stellenbörse organisiert, aber auch karitativ tätig ist – und Schießtrainings anbietet. Ober Chatgruppen habe es Kontakte zwischen Spezialeinheiten und der „Prepper“-Szene gegeben, heißt es in den Medienberichten.
Uniter wurde nach eigenen Angaben 2010 aus zwei Netzwerken für Kommandoeinheiten der Bundeswehr und Polizei sowie einer Gruppe aus dem europäischen NatoKommando Shape gegründet. Er wurde demnach später für Interessierte über Spezialkräfte hinaus geöffnet und hat jetzt mehr als 1800 Mitglieder. Die Vereinsführung weist Verbindungen in kriminell-extremistische Strukturen energisch zurück und kritisiert, inzwischen hätten mindestens vier Mitglieder wegen der Verdächtigungen ihre Arbeitsstellen verloren.
Kontrollen unwirksam
Bei der Generalbundesanwaltschaft hat es 2017 zu Uniter einen sogenannten Beobachtungsvorgang gegeben. „Beobachtungsvorgang“steht deutlich vor Ermittlungen. Formal wird damit geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Denn Franco A. hatte Abzeichen von Uniter. Allerdings könne man diese kaufen, und Franco A. sei kein Mitglied gewesen,teiltderVereinmit.
Die Behörden haben einige Schlüsse aus der Situation gezogen. Als Problem erkannt wurde, dass Reservisten durch das Kontrollsystem schlüpfen könnten, weil sie weder der Bundeswehr noch dem Zivilleben richtig zuzuordnen sind. Mitte November musste MAD-Chef Christof Gramm dem Parlamentarischen Kontrollgremium die Lage erläutern.