Warum der UN-Pakt die Staaten entzweit
Wer profitiert, wer hat Nachteile? – Hier die wichtigsten Fragen und Antworten
MARRAKESCH – Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“wird von vielen gepriesen. Konservative und nationale Kräfte machen aber mobil gegen das UN-Papier, das bei einer zweitägigen Konferenz in der marokkanischen Stadt Marrakesch angenommen wurde. Dazu einige wichtige Fragen und Antworten:
Der Anstoß für eine Erarbeitung globaler Leitlinien zur besseren Bewältigung der weltweiten Migration kam während der Migrationskrise 2015. Im Juli 2018 stand dann das in der deutschen Übersetzung 32 Seiten umfassende Dokument. Kurz gesagt ist es der erste umfassende Ansatz weltweit, auf dessen Basis Länder besser zusammenarbeiten sollen, um gegen illegale und ungeordnete Migration vorzugehen und Migration sicherer für die Menschen zu machen.
Die formulierten 23 Ziele beinhalten auch Lösungsansätze für in Deutschland diskutierte Probleme: So sollen einige Migrationsursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden, ebenso die Schleuserkriminalität. Der Grenzschutz soll gestärkt und „irreguläre Migration“verhindert werden. Stattdessen sollen „sichere und reguläre“Grenzübertritte ermöglicht werden. Ein weiteres Ziel behandelt die Erleichterung einer „würdevollen Rückkehr“ins Ursprungsland. Zu den Zielen werden jeweils konkrete Handlungsvorschläge gemacht – rechtlich bindend ist der Pakt nicht.
Nein, aus dem Dokument lässt sich kein neuer Anreiz für Menschen ableiten, ihre Heimat zu verlassen und woanders eine Zukunft zu suchen. Migration wird dabei aber durchaus positiv als „Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung“dargestellt. Ihre positiven Auswirkungen sollen demnach durch den Pakt besser genutzt werden. Gleichzeitig behandelt das Papier auch die Probleme und Gefahren irregulärer Migration.
Obwohl es keine rechtliche Bindung an die 23 Ziele gibt und der Pakt ausdrücklich die geltende Souveränität der Mitgliedstaaten betont, fürchten eine Reihe von Staaten um ihre nationale Hoheit. So könne aus den Leitlinien möglicherweise Gewohnheitsrecht werden, das mit der Zeit einklagbar werde. Die Bundesregregierung hält diese Argumentation für sehr weit hergeholt. Eine Befürchtung der Gegner ist auch, dass die Ziele zu höheren Standards für die Ansprüche von Migranten auch in Deutschland führen werden. Befürworter halten dagegen, dass diese Standards in der Bundesrepublik ohnehin erfüllt sind. Kritiker, vor allem nationalkonservative und rechtspopulistische Parteien, stoßen sich zudem an der ihrer Meinung nach zu positiven Darstellung von Migration, die eine Werbewirkung entfalten könne.
Migrationseperte Matteo Villa vom italienischen Institut für Internationale Politische Studien macht vor allem politische Kampagnen dafür verantwortlich, in den vergangenen Monaten Ängste über eine vermeintlich unkontrollierbare Migration geschürt zu haben. Populistische Anführer hätten in dem Dokument einen „perfekten Prügelknaben“für die nationalen Debatten über Migration gefunden.
Migranten sind nach der Definition der Internationalen Organisation für Migration (IOM) alle Menschen, die ihren Wohnort verlassen – egal aus welchen Gründen, wie lange oder ob freiwillig oder unfreiwillig. Die UN zählte 201 weltweit 258 Millionen Migranten. Die meisten befinden sich in Asien und Europa. Mehr als 0 000 Menschen starben laut IOM seit 2000 auf ihren Reisen oder in Gefangenschaft.
Für Flüchtlinge haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen parallel einen „Globalen Pakt für Flüchtlinge“erarbeitet, den der UN-Flüchtlingskommissar in seinen Jahresbericht an die Generalversammlung aufnehmen wird. Der Pakt soll sicherstellen, dass Flüchtlinge besseren Zugang zu Gesundheit und Bildung erhalten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.
Sie sollen besser vor Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung geschützt werden. Das gilt etwa für Erntehelfer aus Nordafrika, die in Südspanien Tomaten und Früchte ernten. Und für verzweifelte Menschen aus Entwicklungsländern, die sich bei Arbeitsvermittlern hoch verschulden. Auch für Hausangestellte aus Südostasien, denen ihre Arbeitgeber in den arabischen Golfstaaten die Pässe abnehmen, ist der Pakt ein Dokument der Hoffnung. Allerdings: Wie die Einhaltung der Grundsätze, die in dem Dokument festgelegt sind, überprüft werden soll, steht noch nicht fest.
Da der Pakt auch für die annehmenden Länder gesetzlich nicht bindend ist, muss es auf nationaler Ebene keine direkten Auswirkungen auf die Politik oder die Handhabe von Migration geben. Die Ziele können nach Belieben in nationales Recht umgesetzt werden, müssen aber nicht. Das Regelwerk soll seine Kraft über die politische Bindung seiner Mitglieder entfalten. Die UN pocht auch darauf, dass durch die gleichen Standards künftig eine bessere internationale Zusammenarbeit bei der Migration möglich wird.
Die Bundesregierung erhofft sich, dass der UN-Pakt auch Staaten, die sich bislang nicht um die Rechte von Migranten scheren, dazu bringen wird, ihre nationale Gesetzgebung zu ändern. Dadurch könnte langfristig der Migrationsdruck in Richtung Westeuropa abnehmen. Außerdem könnte die verbesserte Ausstellung von Identitätsnachweisen in Entwicklungsländern bei Abschiebungen beispielsweise aus Deutschland helfen. Wie effektiv die vereinbarten Maßnahmen gegen Schlepper sind, muss sich noch zeigen.